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Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Spitzer
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andere Bereiche übertragen wird). Es geht hier um viel mehr als um die in der Frühpädagogik zuweilen erwähnte Bedeutung von »Primärerfahrungen«, die man selbst macht und nicht von anderen oder von Medien nahegebracht bekommt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Körper beim Anlegen der Spuren auf einfachen Bereichen der Gehirnrinde unmittelbar beteiligt ist und dass jegliche »höheren« geistigen Leistungen in die entsprechenden Bereiche des Gehirns nur über die Spuren auf diesen einfachen Arealen überhaupt gelangen können. Zudem wissen wir, dass diese Spuren recht veränderungsresistent sind. Anders ausgedrückt: Was an Spuren einmal angelegt ist, ändert sich später kaum noch. [178]  

Fingerspiele und Mathematik
    Noch bevor Kinder über Zahlen nachdenken, verwenden sie ihre Finger zum Zählen. Das Zählen mit den Fingern war schon im alten Ägypten gebräuchlich. In praktisch allen Kulturen lernen Kinder das Zählen mit den Fingern: Sie sind immer vor Augen und verfügbar und können daher immer mit der Anzahl der zu zählenden Sachen in Verbindung gebracht werden. Diese Art des Zählens ist somit eine sensomotorische Tätigkeit, der man schon nachgeht, bevor das Zählen »im Kopf« (und ohne Finger) zu einer rein geistigen Tätigkeit wird.
    In praktisch allen Kulturen lernen Kinder das Zählen mit den Fingern, und fast überall funktioniert das so, wie in der folgenden Abbildung dargestellt: Bis fünf kann man mit einer Hand zählen. Ab der Zahl sechs müssen beide Hände verwendet werden, bei deren Gebrauch man beide Gehirnhälften für Tastsinn und Motorik einsetzt. Es muss daher einen Austausch von Information zwischen den Gehirnhälften geben, und der braucht Zeit. Und weil die Nutzung das Gehirn verändert, und genau dadurch letztlich die allgemeinen Zahlen in unserem Gehirn gebildet werden, kann man davon auszugehen, dass die Zahlen sechs bis zehn in beiden Gehirnhälften angelegt sind, wohingegen für die Zahlen eins bis fünf eine Gehirnhälfte genügt.

7.6 Zählen mit den Fingern
    Die Chinesen verfahren anders, wie die folgende Grafik verdeutlicht. Sie verwenden Kombinationen von Fingern sowie bestimmte Fingerstellungen und können auf diese Weise mit einer Hand bis zehn zählen. Erst ab der Elf brauchen sie die zweite Hand. Damit setzen sie auch erst ab der Elf beide Gehirnhälften ein. Nun könnte man meinen, dass dies für die abstrakte Verwendung von Zahlen beim Rechnen keine Bedeutung hat, insbesondere wenn man bedenkt, dass Erwachsene nicht die Finger verwenden, um im Zahlenraum von eins bis zwanzig einfache Rechenaufgaben zu lösen. Niemand braucht hierzu seine Finger!

7.7 Die Chinesen kommen beim Zählen mit den Fingern mit nur einer Hand bis zehn.
    Dass Zahlen in unserem Gehirn keineswegs nur in Gestalt unserer Finger repräsentiert sind, zeigt ein ganz einfaches Experiment. Schließen Sie bitte die Augen und stellen Sie sich die Zahlen von eins bis neun auf einer Linie vor. Wie sieht Ihr Vorstellungsbild aus? Die meisten Leute sagen, dass sie sich eine horizontale Linie vorstellen, mit der Eins links, gefolgt von der Zwei usw. bis zur Neun auf der rechten Seite. Wir stellen uns also einen Zahlenstrahl im Raum vor. Da wir uns die kleineren Zahlen eher auf der linken Seite vorstellen, die größeren eher auf der rechten und da die rechte Gehirnhälfte für die linke Seite und die linke Gehirnhälfte für die rechte Seite zuständig ist, lassen sich Hinweise für einen solchen Zahlenstrahl in unserem Kopf durch entsprechende Experimente finden.
    In einer ganz einfachen Aufgabe sehen die Versuchspersonen zunächst eine Zahl (die Referenzzahl) und danach eine zweite Zahl, die entweder größer oder kleiner ist als die Referenzzahl. Sie sollen dann mit dem rechten oder linken Zeigefinger ihre Entscheidung anzeigen, ob die zweite Zahl größer oder kleiner ist als die erste. Es zeigt sich, dass Versuchspersonen im Durchschnitt mit der linken Hand rascher antworten, wenn die Zahl kleiner ist als die Referenzzahl, und mit der rechten Hand rascher antworten, wenn die Zahl größer ist als die Referenzzahl. Dabei ist das Ganze unabhängig von der jeweiligen konkreten Zahl: Es ist also nicht so, dass alle Zahlen kleiner als eine ganz bestimmte Zahl in der rechten Gehirnhälfte und alle größeren Zahlen in der linken Gehirnhälfte ihren Platz haben. Die gleiche Zahl kann vielmehr links oder rechts repräsentiert sein – es hängt davon ab, welche Referenzzahl zuerst gezeigt wird (also wo

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