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Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Spitzer
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Sachverhalten im Gehirn von der Tiefe der Verarbeitung abhängt. Skimmen und Surfen sind demgegenüber oberflächliche Prozesse. Wenn dann nichts wirklich verstanden wird und auch nichts hängenbleibt, ist das kein Wunder!
    Aus alldem folgt, dass wir wegen der neuen digitalen Medien keine neuen Universitäten brauchen. Das Argument, die Technik würde das Lernen revolutionieren, wurde für jede neue Technik behauptet: Film, Radio, Fernsehen und jetzt Computer und Internet. Der Wissenschaftler Chris Jones zitiert Quellen aus der Zeit vor dem Internet, in denen davon die Rede ist, dass sich Studenten die besten Professoren der Welt selbst aussuchen könnten. Das ging bereits in den Zeiten von Radio, Film und Fernsehen. Hat es etwas daran geändert, dass Lernen sich im Wesentlichen dann vollzieht, wenn eine persönliche Beziehung zwischen Mentor und Student vorhanden ist, wenn der eine den anderen begeistern kann? Lernen heißt, ein Feuer zu entfachen, und heißt nicht, Fässer zu befüllen. Die Computermetaphorik von Informationsübertragung – vom Online-Lernprogramm ins Gehirn – trägt dieser Einsicht wenig Rechnung.
    Auch das Gerede vom gemeinschaftlichen Lernen am Computer ändert hieran nichts, denn es entpuppt sich als bloßes Gerede. Wir hatten bereits in Kapitel 5 gesehen, dass beim Lernen der direkte Kontakt dem vermittelten Kontakt über Bildschirm und Tastatur überlegen ist. Bedenkenswert ist auch, dass der Umgang mit digitalen Medien zunächst immer ein sehr einsamer ist: Einer sitzt vor einer Kiste, starrt hinein und klappert auf einer Tastatur herum. Das ganze Set-up ist nicht für zwei oder drei ausgelegt, sondern für einen Einzelnen. Das gilt für die neueren Medien vom iPod und dem Smartphone bis zum Tablet-PC in noch stärkerem Maße. Dass diese Hardware für das gemeinschaftliche Lernen förderlich sein soll, leuchtet keineswegs unmittelbar ein und ist aus meiner Sicht auch mittel- bis langfristig unwahrscheinlich.
    An dieser Stelle mag der Technophile einwenden, dass mit Crowdsourcing und Schwarmintelligenz doch ganz neue Formen der kollektiven Informationsverarbeitung entstehen, deren Segnungen wir noch gar nicht absehen können. Dem möchte ich – zusammen mit einer ganzen Reihe von Internetexperten – antworten, dass diese Aktivitäten zwar möglicherweise am Markt erfolgreich sein werden, weil sie geistige Arbeit durch Automatisierung und Verteilung auf sehr viele Menschen billig gestalten, dass sie aber keineswegs zum persönlichen Bildungsfortschritt des sich bildenden Individuums beitragen. Menschen sind keine Fische, Ameisen oder Insekten. Große geistige Leistungen entstehen in einem Gehirn. Ja, sie setzen die Bildung (durch andere) und den Austausch mit anderen voraus: Wissenschaft heißt miteinander reden! Gleiches gilt für alle kulturellen Leistungen, von denen die Wissenschaft nur einen Teil darstellt. Aber die Mona Lisa, die Mondscheinsonate, Ein Sommernachtstraum, der Faust, die Integralrechnung, die Relativitätstheorie oder der Beweis für Fermats letztes Theorem entstanden jeweils in einem sehr gut gebildeten Gehirn.
    Ich kann derzeit nicht sehen, dass digitale Medien diesen Gehirnbildungsprozess beschleunigen, vertiefen oder in irgendeiner Weise verbessern. Vielfältige negative Auswirkungen sind nachgewiesen, nicht zuletzt in größter Deutlichkeit bei der Generation der Digital Natives.

Fazit
    Wer um die Mitte der neunziger Jahre oder danach geboren wurde, wird kaum verstehen können, wie die Welt ohne Computer und Internet, Handy und iPod, Spielkonsole und digitalem Fernseher ausgesehen hat. Menschen dieser Generation sind in einer anderen Umwelt erwachsen geworden; ihre Gehirnbildung wurde durch neuroplastische Veränderungen mitbestimmt. Wer jedoch glaubt, hier sei eine Generation von digitalen Wunderkindern herangewachsen, der irrt. Selbst Experten auf dem Gebiet der Informationstechnik sind sehr unterschiedlicher Meinung, und nur etwa die Hälfte neigt hier zu einer optimistischen Auffassung.
    Als Neurobiologe und vor dem Hintergrund der in diesem Buch zusammengestellten Erkenntnisse muss ich die Tatsache berücksichtigen, dass digitale Medien bei jungen Menschen zum Bildungsverfall führen können, dass bei ihrer Nutzung kaum sensomotorische Eindrücke entstehen und das soziale Umfeld, wie immer wieder berichtet wird, deutliche Veränderungen und Einschränkungen erfährt.
    Die Vorstellung vom Digital Native, der Computer und Internet gleichsam mit der

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