Dihati Qo – Die, die sein werden (German Edition)
er hatte keinen Tropfen Wasser bei sich. Aber das wollte er ändern und er glaubte auch zu wissen wie. Das Portal in seiner Höhle. Ja, es musste die Antwort in sich bergen.
Xarnas Augen waren feucht. Sie wandte sich wieder ihrem Begleiter zu. »Sie sind für uns gestorben, Illwar.«
»Ich weiß.«
»Ist es diese Dihati-Sache wirklich wert?«
»Ich hoffe.«
»Um was geht es da überhaupt?«
»Ich bin mir nicht sicher, Xarna. Es geht um den Ring. Nur um den Ring. Aber um an den Ring zu kommen, müssen wir den Fürsten beseitigen. Das ist jedes Opfer wert.«
»Jedes?«, fragte sie flüsternd.
Er nickte nachdenklich. »Viele! Der Zweck heiligt die Mittel.«
»Wir haben für den Zweck heute schon viele Mittel heiligen lassen, nicht wahr?«
Illwar hatte die ganze Zeit den Blick nicht von den Toten ringsherum gelassen, doch jetzt ruckte sein Kopf in Xarnas Richtung. Die Schlacht am Tor. Der Meisterschmied und seine Leute, die ihr Leben gegeben hatten, ja vielleicht sogar die Kinder letzten Endes. Er blickte zurück zur Lagerhalle. Bisher war niemand mehr dort herausgekommen. Weder Flüchtlinge noch Ludewig. Vielleicht lebten die Kinder ja noch. Aber als er wieder über seine toten Begleiter schweifte, raubte er sich selbst die Zuversicht. Diese Männer waren nicht ausgebildet, um gegen Ludewigs Häscher zu bestehen. Er war sich noch nicht einmal sicher, ob Xarna und er es waren.
»Illwar, ist es das wirklich wert?«
»Ketzerin, seid wann machst Du Dir Gedanken über Schuld und Unschuld? Seit wann sind Dir diese Leute etwas wert?«
»Vielleicht seitdem sie für mich sterben, statt mich zu jagen!«
Illwar schaute betreten zu Boden. »Dann sollten wir dafür sorgen, dass sich ihr Opfer lohnt.« Er straffte sich und diesmal fesselte er Xarnas Blick. »Wir sind Teil der Prophezeiung …«
»Welcher Prophe…«
»… und sollten dementsprechend handeln«, fuhr Illwar unbeirrt fort. »Wir sind die Dihati Qo. Also lass uns tun, was man von uns erwartet.«
»Aber ich weiß nicht, was das bedeutet!«, flehte Xarna ihn praktisch an.
Illwar ging auf sie zu und schloss sie in seine Arme. Sie nahm seinen Halt dankend an und legte ihre Hände auf seinen Rücken. Sie roch den Schweiß des Kampfes, der an seinem Körper klebte, und sog ihn genüsslich ein. Ihr gefiel seine Nähe.
Sie richtete ihre vom dunklen Braun umrandeten Pupillen in das Aquamarin seiner Iris. Sein Blick hypnotisierte sie regelrecht; das tat er immer. Sie mochte es. Sie konnte stundenlang in diesen Augen versinken.
Er drückte sie fester an sich heran. Ihre Lippen näherten sich und Xarna genoss den seidigen Druck, als sie sich trafen. All die Toten, all das Elend war vergessen.
»Du wirst es verstehen«, flüsterte er in ihr Ohr. »Bald! Aber bis dahin musst Du mir vertrauen.«
Sie nickte. Sie wusste nicht, warum sie ihm vertrauen sollte. Sie kannte ihn nicht lange genug. Sie vertraute selbst Menschen nicht, mit denen sie über Jahre hinweg zusammen war. Aber sie wollte ihm vertrauen. So tat sie es.
Illwar löste die Umarmung, dann sah er sich um. Schließlich fanden seine Augen, was sie suchten. Er ging auf die Pferde der Wachen zu, band zwei los und brachte sie zu Xarna.
»Ist es eine gute Idee mit den Pferden durch die Nacht zu reiten? Werden sie uns nicht eher aufspüren dadurch?«
»Glaubst Du, sie haben Problem zwei Fußgänger in dieser kargen Steppe zu verfolgen, weit und breit keine Deckung, hinter der man sich verstecken könnte?«
»Wir könnten kriechen.«
»Nicht bis zu meinem Versteck.«
Xarna zuckte die Achseln und stieg auf. Sie wollte ihm vertrauen, also fing sie jetzt damit an. Die Ketzerin lächelte den Totenerwecker an und er lächelte zu ihr zurück. Sie vertraute ihm – ihrem Hexenmeister.
Teil II: Der Nekromant
27
Es war schon zu dunkel, um die Spuren noch richtig erkennen zu können, aber Hauptmann Uster war sich trotzdem sicher, welche Richtung sie eingeschlagen hatten. Richtung Murrog-Gebirge. Direkt zur Festung. Es war für ihn ein Rätsel. Wenn das ein Ablenkungsmanöver war, dann ein ziemlich tölpelhaftes.
Einer seiner Männer kam auf ihn zu und gestikulierte hektisch Richtung Tor. Uster erhob sich und wischte seine Knie ab. Er hatte sich hingekniet, um die Pferdespuren besser lesen zu können. Jetzt ging er zum Westtor und erkannte, was seinen Untergebenen so alarmierte. Der Oberst trat mit seinen Leuten aus einer nahen Lagerhalle. Er sah sehr erschöpft und noch weit mehr verärgert aus.
»Uster!«
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