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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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bog in eine Gasse ein und verschwand aus seinem Blickfeld.
    »Verdammt«, brummte er. Er begann zu laufen und steckte sich vorsichtshalber die Pfeife zwischen die Lippen.
    Als er in die Gasse einbog, wäre er beinahe mit ihr zusammengeprallt. Sie war abrupt stehen geblieben, außer Sichtweite der Hauptstraße. Eine trübe Straßenlaterne spendete gerade so viel Licht, dass er sie erkennen konnte. Sie war ziemlich jung, sah er, vielleicht Mitte zwanzig, und elegant, aber auch zweckmäßig gekleidet. Ihr ziemlich quadratisches Gesicht strahlte Kraft aus.
    Sie sah ihn belustigt an. »Alles in Ordnung mit Ihnen, Sergeant Tanner?«
    »Keine Sorge, ich komme nicht außer Atem, wenn ich zehn Meter laufe. Jetzt hören Sie mal, Miss …«
    »Doris Keeler.«
    »Ich bin sicher, Sie wissen über die Sperrstunde Bescheid. Ganz gleich, was Sie vorhaben, ich schlage vor, Sie kommen mit mir …«
    Auf ihren Lippen lag ein halbes Lächeln. »Achtung, fertig, los.«
    »Oh. Woher kennen Sie meinen Namen?«
    »Mary hat schon gesagt, Sie seien manchmal ein bisschen schwer von Begriff.«

    »Mary?«
    »Mary Wooler. Eine gemeinsame Freundin, Sergeant Tanner.« Sie streckte ihm die Hand hin.
    Verwirrt ergriff er sie und schüttelte sie. »Jetzt hören Sie mal«, sagte er im Versuch, die Situation wieder in den Griff zu bekommen. »Ich weiß nicht, was Sie vorhaben, aber die Sperrstunde ist kein Scherz. Was immer Sie also von mir wollen …«
    »Bloß ein paar Minuten. Das ist alles. Wenn irgendein Boche vorbeikommt, können Sie mich ja mit großem Tamtam festnehmen. Hören Sie sich bitte an, was ich zu sagen habe, Sergeant. Das würden Sie doch für Mary tun, nicht wahr?«
    Er runzelte die Stirn. »Ich würde hier keine solchen Wörter wie ›Boche‹ gebrauchen. Aber Sie sind nicht von hier, oder?«
    »Ich bin in Colchester aufgewachsen. Dort lebe ich immer noch, oder ich habe zumindest eine Wohnung dort; allerdings bin ich nun schon seit mehreren Monaten im Protektorat. Ich habe Mary dort – in Colchester  – während eines Luftangriffs kennengelernt. Ich war ARP-Wartin.«
    »War?«
    »Es ist so einiges passiert. Ich hatte die Nase voll vom Krieg und habe beschlossen, ein bisschen aktiver zu werden. Hören Sie, Sergeant, Mary und die Leute, für die sie arbeitet, brauchen Ihre Hilfe.«
    »Wer, der WVS?«
    Sie lächelte. »Der nicht. MI-14. Der militärische Geheimdienst.«

    »Ich glaube Ihnen nicht! Mary?«
    »Erinnern Sie sich an einen Mann namens Ben Kamen? Einen Österreicher.«
    »Natürlich erinnere ich mich an den. Kleiner Kerl. Freund von ihrem Sohn Gary.«
    »Ja, und von Hilda.«
    Den Namen seiner Tochter zu hören, war wie ein Schlag in die Magengrube. »Sprechen Sie weiter.«
    »MI-14 glaubt, dass Kamen in einer SS-Einrichtung in Richborough festgehalten wird.«
    »Wo ist das?«
    »In Kent. Und sie wollen ihn da rausholen.«
    »Warum?«
    »Weiß ich nicht und brauche ich auch nicht zu wissen. Aber es war auf jeden Fall so wichtig, dass MI-14 durch mich Kontakt zu uns aufgenommen hat – ich kannte Mary schon, sie hat meinen Namen erwähnt –, und sie hat mir empfohlen, Kontakt zu Ihnen aufzunehmen und Sie um Hilfe zu bitten.«
    »Langsam, langsam.« Er hob die Hände. »Und dieses ›wir‹, vermute ich …«
    »Ich sehe schon, Sie haben’s erraten.«
    »Die Hilfstruppen.«
    »Wir nennen uns ›der Widerstand‹.«
    »Ich aber nicht, verdammt noch mal. Ich muss mit den Folgen eurer Cowboy-und-Indianer-Spielchen fertig werden.«
    »Sie meinen die Vergeltungsmaßnahmen.«
    »Ja, ich meine die Vergeltungsmaßnahmen«, sagte er grimmig. »Als im letzten Winter das Laub gefallen
und der größte Teil von euch Tunichtguten vertrieben worden ist, habe ich gejubelt, das kann ich nur sagen. Und soweit ich sehe, seid ihr sowieso alle eine Bande von Linken.«
    Sie ließ sich davon nicht beirren. »Stimmt, viele unserer Anführer haben in Spanien für die Republikaner gekämpft. Auch Ben Kamen, wissen Sie. Aber was jetzt zählt, sind die Methoden, die sie von dort mitgebracht haben, Sergeant, nicht die politische Einstellung.«
    Er schaute sich um und vergewisserte sich, dass sie noch allein waren. »Ich weiß, dass die verfluchten Deutschen bekämpft werden müssen«, zischte er. »Ich habe in diesem Krieg eine Tochter verloren. Die Frage ist, wie man sie bekämpft. Ich bin Cop in Sussex, Miss Keeler. Ich sorge hier für Ruhe und Ordnung, das ist mein Job. Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich in Kent irgendwie von Nutzen

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