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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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fürchte, wie auch Mr. Dunne haben Sie meine spielerische Beschreibung des Zeitverlaufs als einer Dimension des Raumes viel zu ernst genommen …«
    »Ich hatte gehofft, der alte Junge wäre uns eine etwas größere Hilfe; er findet noch immer Gehör in der Regierung.« Sein Blick ging ins Leere, seine Gedanken jagten sich.
    Mary war verwirrt. »Wer denn?«
    Mackie kam wieder zu sich. »Oh, Verzeihung! H. G. Wells. Habe ihm geschrieben; dachte, es wäre einen Versuch wert. Was wir brauchen, ist ein Beweis, ein klitzekleiner Beweis.«

    »Was kritzeln Sie da?«
    »Was Sie über Akrostichen gesagt haben, fasziniert mich. Dieses Menologium ist weitaus komplizierter als die Nectovelin-Prophezeiung, und ich habe mich gefragt, ob ich etwas damit anfangen könnte.«
    »Ich habe es versucht. Tatsächlich funktioniert es mit dem Epilog.« Sie nahm einen Bleistift und schrieb:
     
    AMEN
     
    »Ja, richtig.« Er lächelte.
    »Aber aus dem Rest werde ich nicht schlau.«
    »Versuchen wir’s noch mal. Ich mag Geheimschriften und solche Sachen. Deshalb bin ich ja in Bletchley gelandet.« Ohne innezuhalten, schrieb er die Anfangsbuchstaben der Strophen auf, wobei er den Prolog und den Epilog wegließ:
     
    DEIN DNSN DTEN DINN DGÖN DDEN DLKN DAMN DENN
     
    »Nichts«, sagte sie. »Hab’s Ihnen ja gesagt.«
    »Ja, aber schauen Sie – da gibt es einige Redundanzen.«
    »Redundanzen?«
    »Ein Begriff von Verschlüsselungsexperten. Buchstabenwiederholungen. Jede Strophe beginnt und endet mit denselben Buchstaben, D und N. Würde man das zwecks Übermittlung verschlüsseln, würde man eine summarische Chiffre einbauen und die betreffenden
Buchstaben streichen. Angenommen, ich probiere das mal.« Er nahm einen Radiergummi, ging die Zeile durch und entfernte in jedem Block den ersten und letzten Buchstaben:
     
    EI NS TE IN GÖ DE LK AM EN
     
    Mary sah es sich aufmerksam an. »Ist das noch ein AMEN da am Ende?«
    »Nein«, sagte er leise. »Schauen Sie – wenn man die Buchstaben anders gruppiert …« Er schrieb die Zeile noch einmal hin:
     
    EINSTEIN GÖDEL KAMEN
     
    »Ben Kamen«, sagte sie. »Du meine Güte.«
    »Er hat uns eine Botschaft geschickt«, sagte Mackie. »Eine Botschaft durch die Geschichte. Schlauer Bursche, wirklich ein schlauer Bursche. Damit sollte es klappen, denke ich. Ich muss Lindemann anrufen.« Er machte auf dem Absatz kehrt und trabte zum Bauernhaus zurück.
    Mary folgte ihm etwas langsamer.
    Sie bewunderte Mackies Pragmatismus, seine Entschlossenheit, mit diesem außerordentlichen Problem fertig zu werden, seine Fähigkeit, diese erstaunliche neue Entwicklung zu verarbeiten und daraufhin entschlossen zu handeln. Konnte es wirklich sein, dass diese Botschaft von Ben Kamen – eingebettet in ein Dokument aus dem fünften Jahrhundert, niedergeschrieben
in welchem Original auch immer und dann in eine Kopie nach der anderen transkribiert – darauf gewartet hatte, dass sie sie an diesem Herbsttag in England entdeckte?
    Ein kalter Schauer überlief sie, und sie eilte hinter Mackie her, weil sie nicht allein sein wollte.

XIV
    21. Oktober
    Der Konvoi rollte die Straße nach Hastings entlang.
    Heinz Kieser fuhr das Befehlsfahrzeug. Er war entspannt, die obersten Knöpfe seiner Uniform standen offen, aber Ernst fand, dass er zu dicht an den Lastwagen vor ihm auffuhr. Und er bestand darauf, mit heruntergelassenem Verdeck zu fahren, obwohl es ein stürmischer, bedeckter Tag war. Viv hatte ihr Tuch fest um den Kopf gebunden, damit ihre Haare nicht herumflatterten.
    Alfie, der neben seiner Schwester auf dem Rücksitz saß, beugte sich vor. »Kann diese alte Rostlaube nicht schneller fahren, Ernst?«
    »Halt den Mund«, fuhr Heinz ihn an. »Und sprich respektvoll mit dem Offizier.«
    Alfie zuckte erschrocken zurück. In seiner HJ-Uniform wirkte er klein und sehr jung. Aber er sagte tapfer: »Er ist kein Offizier. Er ist Obergefreiter, genau wie Sie.«
    Heinz, der kaum ein Wort verstand, sah Ernst finster an. »Was? … Halt bloß die Klappe, mein Junge, sonst …«

    »Es reicht«, sagte Ernst. »Sei still, Alfie.«
    »Ja, Ernst.«
    Heinz schüttelte den Kopf. »Elende kleine Ratte«, sagte er auf Deutsch.
    »Es ist nicht nötig, so mit ihnen zu sprechen, Heinz. Nicht mit diesen beiden.«
    »Machst du Witze? Wir sind eine Besatzungsarmee, keine Kindergärtner!«
    »Alfie ist zur Hitlerjugend gegangen, Vivien lernt unsere Sprache, und die beiden haben einen schulfreien Dienstag für den Trafalgar-Tag geopfert.

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