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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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du bist so ein dummes Mädchen, Viv«, sagte Irma müde. »Und so egoistisch. Lass deinen Vater nicht hören, dass du so redest.«
    Viv rümpfte die Nase. »Ich sage, was ich will.«
    Ernst legte Irma die Hand auf den Arm. »Ist schon gut. Sie ist schließlich noch jung …«
    Da hatte er das Falsche gesagt. »Ich bin nicht jung !« Viv drehte sich um und stürmte aus der Küche, wobei sie fast mit ihrem Vater zusammengestoßen wäre. Fred kam herein und funkelte Ernst wütend an.
    »Guten Abend, Fred.«
    Fred schaute finster drein. Der Schmutz hatte sich tief in sein gefurchtes Gesicht gegraben. »Battle. Sie haben’s ja wohl gehört.«
    »Was?«
    »Die Hilfstruppen haben da ein Munitionsdepot hochgejagt. Kommt im deutschen Radio. Es wird Vergeltungsmaßnahmen geben, oder?«
    Ernst wusste nichts von den Geschehnissen in Battle,
war aber davon überzeugt, dass dies eine weitere Folge von Hitlers Kriegserklärung an die Amerikaner war. Die Neuigkeiten waren jedoch ernst und bedrückend. In Albion hatte es eine ganze Serie von Widerstandsaktionen gegeben, Bomben, Mordanschläge und Angriffe auf Kollaborateure. Und die Vergeltungsmaßnahmen waren hart gewesen.
    »Sie holen sich einen aus jedem Haus, heißt es«, sagte Fred.
    »Am besten spricht man nicht darüber, solange es nicht sein muss«, erwiderte Ernst steif.
    Fred wandte sich an seine Frau. »Und was ist mit dieser hohlköpfigen kleinen Schlampe da oben los?«
    »Rede nicht so über sie.« Irma prüfte mit einer Gabel, ob die Kohlrüben schon gar waren. »Sie macht sich nur Sorgen wegen ihrer Austauschreise, das ist alles.«
    »Sie glaubt doch wohl nicht, dass sie immer noch nach Berlin kann. Nicht nach Alfie, und während uns hier alles um die Ohren fliegt.«
    »Du weißt, wie sie ist, Fred.«
    »Ja, ich weiß, wie sie ist, sie ist verdammt egoistisch, und sie interessiert sich einen Dreck für ihren Bruder, und ich weiß, dass sie nicht nach Berlin gehen wird.«
    »Ja, na schön, dann lass sie das mal selber rausfinden, wenn es so sein soll. Dass du mir ja nicht bei ihr reinmarschierst und sie beschimpfst.«
    Fred hinkte zum Waschbecken, wobei er über die kleine Myrtle hinwegstieg, als wäre sie nicht mehr als ein Haufen Brennholz. Er nahm die Anwesenheit
des Babys nie zur Kenntnis, nicht einmal durch einen flüchtigen Blick. Er krempelte seine Ärmel hoch, holte die Wäsche aus dem Waschbecken – Unterwäsche und Kleinteile –, schob die Schachtel mit dem Waschmittel beiseite und wusch sich die von der Feldarbeit schmutzigen Hände und Arme. »Ich sage ihr die Wahrheit, das ist alles. Du bist verdammt noch mal zu weich.«
    »Ich wünschte, du würdest dich auf dem Hof waschen«, sagte Irma. »Schau dir an, was für eine Schweinerei du wieder anrichtest. Und meinetwegen nenn mich ruhig weich. Ich versuche nur, Viv zu beschützen, das ist alles.«
    »Sie zu beschützen? Wie wär’s, wenn du Alfie beschützen würdest, hm?« Er starrte Ernst über die Schulter hinweg zornig an. »Wie kann es richtig sein, einen Vierzehnjährigen zur Zwangsarbeit einzuberufen?«
    Irma öffnete den Backofen und holte den Braten heraus. Die Luft füllte sich mit fettigem Dampf, und in der Küche entstand eine drückende Hitze. Ernst war auf einmal sehr müde. Fred war an diesem Morgen, als Alfies Einberufungsbescheid gekommen war, schon genauso zornig gewesen; Ernst stellte sich vor, wie er den ganzen Tag innerlich getobt und es an seiner Familie und sich selbst ausgelassen hatte.
    Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich an den Tisch. »Hören Sie, Fred. Sie müssen auch den Zusammenhang sehen. Seit der Erklärung gestern sind wir im Krieg mit einer Macht, die bereits Truppenkontingente und Waffen direkt auf der anderen Seite des
Ersten Ziels in Stellung hat. Darum sind nun am Ziel und an den Küsten plötzlich enorme Verteidigungsanstrengungen nötig. Flugplätze müssen wieder aufgebaut, Häfen erweitert werden. Und in Albion herrscht Mangel an jungen Männern im arbeitsfähigen Alter – denken Sie an die Opfer der Invasion, die Kriegsgefangenen, die Arbeitskolonnen für den Kontinent …«
    »Wenn Hitler vierzehnjährige englische Jungen braucht, um sich gegen die Amerikaner zu verteidigen, hätte er ihnen nicht den Krieg erklären sollen. Alfie wird nicht mal bezahlt werden, oder?« Fred wischte sich die Hände ab und reckte den Finger zur Betonung. »Ich habe ihn zur HJ gehen lassen, weil ich dachte, dann bliebe ihm so was vielleicht erspart, aber

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