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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sollen.«
    Der Schütze nickte. »So was kommt vor. Ich habe mal von einem Papst gelesen, der auf Beschwerden über die Ungerechtigkeit der Inquisition hin gesagt hat, er überlasse es Petrus, die Heiligen von den Sündern zu trennen. Glauben Sie an Gott?«
    »Sie?«
    »Nicht mehr, Herr Obergefreiter.«
    Die Männer am Rand der Grube gingen auseinander, und die Motoren der Lastwagen heulten auf.

XXV
    24. Dezember
    Das Seelöwen-Monument war bereits ein erstaunliches Bauwerk, dachte Mary, die zusammen mit George im Fond des darauf zufahrenden Wagens saß. Trotz seiner Unfertigkeit war es ein Henge aus Beton und Gerüsten, welches das Gelände bei Richborough vollständig beherrschte. Zu seinen Füßen war das Erdreich aufgewühlt und gefurcht, und überall stand glitzerndes, schaumiges Regenwasser.
    »Bei all dem muss die Archäologie hier doch voll unter die Räder geraten«, sagte sie.
    George saß neben ihr im Wagen. Die Knöpfe seiner Uniform waren auf Hochglanz poliert. Er verrenkte sich den Hals, um den Triumphbogen zu sehen. »Schauen Sie sich dieses verdammte Ding an. Die Deutschen haben sie wirklich nicht mehr alle!«
    »Aber die SS-Wissenschaftler kennen ihre Geschichte. Claudius wäre beeindruckt gewesen. Es überrascht mich allerdings, dass die RAF diese Monstrosität noch nicht zerbombt hat.«
    George grinste. »Oh, die warten ab, bis das Ding fast fertig ist, und zerbomben es dann .«
    Adrette, aber schachtelartige neue Gebäude kauerten
sich zu Füßen des Triumphbogens zusammen. Angehörige des Mitarbeiterstabs, die meisten in Uniform, standen in Reih und Glied. Als Marys Wagen näher kam, flammten Blitzlichter auf. Offenbar wurden sie erwartet.
    Und Gary war irgendwo hier in diesem seltsamen Komplex.
    Mary wäre so oder so nervös gewesen, auch ohne Garys Anwesenheit. Sie hatte noch nie an einer solchen Operation teilgenommen, und dass Deutschland und die Vereinigten Staaten miteinander im Krieg standen, seit Mackie seinen Plan ausgeheckt hatte, machte die Dinge, in seinen trockenen Worten, »eine Spur komplizierter«. Trotzdem war sie hier, und die Aktion lief. Doch wenn sie daran dachte, dass Gary ganz in der Nähe war, kam ihr dieser Tag fern und unwirklich vor, und selbst das riesige, unfertige Monument wirkte vergänglich und wie eine Illusion.
    Der Wagen hielt am Fuß des Triumphbogens. Der SS-Fahrer öffnete die Tür, und Mary stieg aus. Der Fahrer holte ein Paket aus dem Kofferraum des Wagens, eine wunderschön gearbeitete Holzschachtel, die Mackies römischen Speer enthielt. Die Schachtel war schwer, aber George trug sie mühelos.
    Unter den dicken Wolken war es düster. Der Heilige Abend erwies sich als einer jener englischen Mittwintertage, die nie die Kraft zu finden schienen, zum vollen, ehrlichen Tageslicht durchzubrechen; heller als jetzt, zur Mittagszeit, würde es nicht mehr werden. Aber das Monument sah unter einem solchen Himmel
irgendwie stimmig aus, vier mächtige, sich nur als Silhouetten abzeichnende Stümpfe. Mary roch das Meer, und das rief ihr ins Gedächtnis, dass Tom Mackie nicht weit entfernt war; er saß in einem Motorboot vor der Küste und wartete darauf, sie in Sicherheit bringen zu können.
    Eine kleine Gruppe von SS-Offizieren kam herbei, gefolgt von Fotografen.
    »Wir stehen das durch«, sagte George zu Mary. »Nur ein paar Stunden, dann ist es vorbei.«
    »Ich bin froh, dass Sie hier sind«, flüsterte sie.
    Ein SS-Mann kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu; er war nicht groß, aber schlank und sah gut aus. »Mrs. Wooler? Ich bin Standartenführer Josef Trojan. Frohe Weihnachten! Ich bin wirklich überaus entzückt, Sie wiederzusehen. Wir arbeiten nun schon so lange zusammen, nicht wahr?« Trojan packte Marys Hand und schüttelte sie; der Griff seiner behandschuhten Rechten war fest und warm. Mit geübter Lässigkeit drehte er sich zu dem kleinen Fotografentrupp um. Es gab ein Blitzlichtgewitter. »Und Constable Tanner, so sieht man sich wieder.«
    »Jetzt Sergeant Tanner, herzlichen Dank.«
    Die Fotografen waren so nahe, dass Mary ihre Akkreditierung erkennen konnte. Einige von ihnen arbeiteten für Pressedienste des Reichs, aber es waren auch Reporter von Zeitungen neutraler Länder darunter  – Schweizer, Spanier, Iren. Mary wusste, dass es Trojan heute zweifellos auch darum ging, sie in eine reichsfreundliche Story einzubinden, die die Wirkung
ihres Berichts über die Gräueltat von Peter’s Well vielleicht abschwächen würde. Sollte er das ruhig glauben.

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