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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Dieser Tag würde so oder so nicht den von Trojan erwarteten Verlauf nehmen. Sie lächelte für die Fotoapparate.
    Trojan stellte ihr weitere Personen vor. »Mrs. Wooler, meine Kollegin, Unterscharführerin Julia Fiveash, kennen Sie ja schon. Und das ist mein Bruder, Obergefreiter Ernst Trojan.«
    Der Obergefreite trug eine Wehrmachtsuniform. Er verbeugte sich knapp vor Mary. Er war eine jüngere, blassere Ausgabe seines Bruders, dachte sie, nicht so lebhaft – nicht so selbstgewiss –, vielleicht ein interessanterer Charakter. Aber sie hatte keine Zeit, sich mit ihm zu unterhalten.
    Julia Fiveash kam auf Mary zu. Sie war außergewöhnlich, eine Zusammenballung von Widersprüchen, eine schöne Engländerin in einer männlichen SS-Uniform. »Mrs. Wooler? Freut mich sehr, Sie wiederzusehen.« Sie verbeugte sich vor George, der etwas steifer zurücknickte.
    Josef Trojan klopfte seinem Bruder auf den Rücken. »Ich habe Ernst von seinen anderen wichtigen Pflichten im Protektorat losgeeist und ihn hierhergeschleift, weil heute Weihnachten ist! Eine Zeit der Freundschaft und der Familie. Eine Zeit, um Loyalitäten zu betonen, die über die einstweiligen Grenzen der Kriegszeit hinausgehen. Darum sind wir heute hier versammelt, Amerikaner, Deutsche und Engländer, um den intellektuellen Wagemut zu feiern.«

    Mary fand, sie sollte etwas sagen. »Aber Ihnen ist klar, dass ich nicht meinen Staat vertrete.«
    »Natürlich.«
    »Ich bin aus rein wissenschaftlichen Gründen hier. Ganz gleich, auf welcher Seite wir uns zeitweilig wiederfinden, die Arbeit, die Sie hier leisten, verdient Lob und Unterstützung«, erklärte sie mit unbewegter Miene. »Denn nur Wissenschaft, Bildung und Erziehung werden die Menschheit letztendlich von den Schatten des Krieges befreien.«
    »Ich hätte es nicht besser ausdrücken können«, sagte Trojan. »Und nun möchte ich Sie nicht länger warten lassen. Kommen Sie bitte mit.« Er drehte sich um und führte die Gruppe zu dem größten der neuen Gebäude.
    George und Julia gingen steif nebeneinander her, ohne sich anzuschauen. Mary wusste, dass zwischen ihnen etwas lief, so unwahrscheinlich es war. Und George machte sein heutiger »Verrat« an Julia wirklich zu schaffen. Mary verstand es nicht. Sie hatte den Krieg immer für einen Vereinfachungsprozess gehalten, einen Aufmarsch von Gut gegen Böse. Doch an Ort und Stelle waren die Dinge vertrackt in so ziemlich jeder nur denkbaren Weise. Mary wurde nicht schlau aus George und dieser Julia, und vielleicht würde ihr das auch nie gelingen; am besten, man wandte den Blick ab.
    Der Ziegelbau war wenig einnehmend, zwei Stockwerke mit Flachdach, wie ein Bürogebäude. Doch sobald sie durch die große Doppeltür eingetreten waren, befand Mary sich in einem imposanten Raum mit
einem Fußboden aus poliertem, rosafarbenem Granit und eichengetäfelten Wänden. Eine von Verzierungen überquellende Treppe führte zum Obergeschoss hinauf und in einen Keller hinunter. Der Saal wurde von einem riesigen Weihnachtsbaum beherrscht, einem hoch aufragenden Ding voller Silberkugeln, Lametta und kleinen Hakenkreuz-Medaillons. Bei den Nazis musste alles groß sein, wie es schien, sogar Weihnachten.
    Kaum waren sie auch nur für eine Minute außer Sichtweite der Kameras, bat Trojan sie, sich einer Durchsuchung zu unterziehen. Ihre Taschen wurden geöffnet, ihre Körper energisch abgetastet.
    Dann reihte sich die Gruppe für weitere Fotos vor einer Wand mit einer stolzen Namensplakette – RICHBOROUGH COLLEGE SS-AHNENERBE 1941 –, einem erhabenen Hakenkreuz und weiteren Insignien auf. Oberhalb dieses ganzen Plunders sah Mary zwei ordentlich angebrachte Haken.
    Trojan grinste. »Sie sehen, wir sind bereit für Ihr Geschenk.«
    »Ich glaube, das ist Ihr Stichwort, George«, sagte Mary leise.
    George trat vor und überreichte Trojan mit feierlicher Geste seine Holzschachtel. Trojan öffnete sie und sah den lädierten römischen Speer vor sich, der einst die Wand eines Bauernhauses in Birdoswald geschmückt hatte. Für die Kameras hielt er den Speer in den Armen und begutachtete ihn mit ernster Miene. Währenddessen flammten die Blitzlichter auf, und
die Fotografen riefen ihm zu, hierhin und dorthin zu schauen.
    »Und die Herkunft – dies ist ein authentisches Objekt, ein Speer, der sozusagen die Kreuzigung miterlebt hat.« Trojan fuhr mit den Fingern über die Speerspitze, streichelte sie zärtlich, beinahe sexuell. »Erstaunlicher Gedanke, nicht wahr? Der Reichsführer

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