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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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wiederverwenden konnten, begannen sie systematisch zu zerstören.
    Männer standen neben den Fahrzeugen oder lehnten an den Bäumen, ihre Gewehrkolben auf dem Boden. Alle hatten geschwärzte Gesichter. Man sah, dass einige von ihnen im Stehen schliefen. Einen Moment lang herrschte Ruhe, keine Motoren liefen, nicht einmal das ferne Brummen von Flugzeugmotoren störte den Frieden. Es war ein schöner, wenn auch nebliger Morgen. Ernst atmete den Geruch von Geißblatt ein.
    »Nach Stalingrad war’s genauso«, sagte Heinz leise.
    »Was denn?«
    »Der Rückzug. Unsere Front ist einfach zusammengebrochen. So wie hier. Keine Koordination, keine vernünftige Kommunikation. Die besonneneren Offiziere haben versucht, die Sache wenigstens ein bisschen zu organisieren. Im Grunde war’s bloß eine blinde Flucht.«
    Fischer kam zu ihnen. »Wenn du weiter so redest, Kieser, lassen wir dich bei diesem kaputten LKW zurück.«
    »Was ist denn los?«, wollte Ernst wissen.
    »Der Hauptmann da drüben sagt, die Amerikaner seien bei Faversham durchgebrochen. Ihre Panzer führen Richtung Canterbury, und dann weiter nach Folkestone. Bis zum Einbruch der Dunkelheit sei alles vorbei.«

    »Sie haben die Kunst des Blitzkriegs gelernt«, meinte Heinz emotionslos.
    »Die werden feststellen, dass von Canterbury nur noch Trümmer übrig sind. Und wie es heißt, ziehen sich unsere Truppen nicht kampflos zurück, sie haben im Bunker von Hastings Stellung bezogen. Ich glaube …«
    Aus dem Nichts heraus gab es eine Explosion.
    Ernst hechtete hinter einem Lastwagen in Deckung. Fischer landete beinahe auf ihm; sein schwerer Körper plumpste in den Dreck. Verbogene Metallteile prallten von der Karosserie des Lastwagens ab, und eine Wand aus Staub und Hitze fegte über sie hinweg. Es stank nach Benzin, Öl und Gummi.
    Als die Druckwelle vorbei war, drehte sich Ernst zur Seite und schaute unter der Karosserie des LKWs hindurch. Einer der Panzer brannte; er stand immer noch dort, wo er abgestellt worden war. Flammen schossen aus der offenen Luke. Ernst roch Ölrauch und Kordit und den säuerlichen, schrecklichen Gestank von brennendem Fleisch. Doch dann riss eine weitere Explosion den Geschützturm des Panzers noch weiter auf, und Ernst musste erneut den Kopf einziehen. Jetzt hörte er das Rattern von MG-Feuer.
    Einer der Offiziere aus der motorisierten Kolonne kam vorbeigerannt, eine Schmeisser-MP in der Hand. »Partisanen! Beschissene Partisanen! Zehnte Kompanie, folgt mir, wir räuchern diese Mistkerle aus. Die anderen bleiben in Deckung.« Also kauerte sich Ernst mit Fischer unter den Lastwagen, während die
Soldaten das Widerstandsnest stürmten. Man hörte das Knattern von Handfeuerwaffen, das Rattern von Maschinengewehren, das dumpfe Krachen von Granaten  – und jede Menge Geschrei.
    Und obwohl unweit von ihnen Männer kämpften und starben, zog Fischer ein Päckchen Feldrationen aus seiner Tasche. Sie waren in ein Stück Zeitung eingewickelt, eine der letzten Ausgaben der Albion Times , mit einem Foto von Goebbels’ Besuch. Fischer packte sie aus und gab Ernst ein Stück Kommissbrot. Ernst hatte noch etwas Wasser in seiner Feldflasche, also holte er sie heraus, um es mit Fischer zu teilen. »Tolles Picknick«, sagte Fischer, sein Brot kauend. »Müssen wir gelegentlich mal wiederholen …«
    Eine weitere Explosion folgte, und Schrapnelle schepperten gegen die Seiten des Lastwagens.
    Danach dachte Ernst, er hätte vielleicht eine Weile geschlafen, trotz der ungewöhnlichen Situation.
    Schließlich wurden sie aus ihren Verstecken gerufen. Männer kamen aus den Fahrzeugen und Gräben hervor und traten langsam wieder in Marschordnung an.
    Heinz stieß Ernst an. »Komm mit. Nutzen wir die Gelegenheit und schauen wir uns an, wie diese Partisanen gelebt haben.«
    Sie krochen vorwärts, an dem ausgebrannten Panzer vorbei.
    Der Hilfstruppen-Bunker war mit Granaten aufgesprengt worden. SS-Männer wühlten in den Trümmern. Der aus Eisenbahnschwellen und Wellblech erbaute
Unterstand war ziemlich weitläufig; es gab abgeteilte Räume und Tunnels, und alles mögliche Zeug lag herum  – Waffen, Dosennahrung, Paraffinlampen, Funkausrüstung. Tote lagen zusammengekrümmt in den Trümmern. Ein SS-Mann hob eine dicke Broschüre mit dem Titel »Bauerntagebuch 1939« auf; sie schien Anweisungen für Sabotageaktionen und Guerillakriegsführung zu enthalten.
    Ein deutscher Sanitäter versorgte Verwundete, größtenteils Deutsche, aber auch einen Briten mit

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