Diktator
Pfadfinderspiele aufzugeben und eine Ausbildung im Dienste des Reichs zu machen. Der höchste Ausdruck des Nazi-Wahnsinns,
dachte George, Kinder, die in den Krieg zogen. Er bezahlte sein Vollkornbrot.
Als er nach Hause kam, kochte Julia gerade Kaffee in der Küche. Das Pulver stammte aus ihrer SS-Ration. Ihre Haare waren noch offen, sie trug ihre Uniformbluse, und als er in die Küche kam, sah er ihre sanft geschwungenen Pobacken über den schlanken Beinen, die bloßen Füße auf den Steinplatten seines Küchenbodens. Er nahm ein Messer aus der Besteckschublade und schnitt den Brotlaib auf.
Eine besonders laute Explosion ließ beide zusammenzucken.
»Da kommt ein Gewitter«, sagte Julia, ohne sich umzuschauen.
»Hört sich so an. Bin froh, wenn’s vorbei ist.« Er strich eine dünne Schicht Margarine auf eine Brotscheibe und öffnete ein kleines Glas Marmelade, die eine Nachbarin aus den frühen Erdbeeren dieses Jahres gemacht hatte. »Ich find’s gut, wenn Ruhe herrscht. Ist mir ziemlich egal, ob unter den Jerrys oder unter den Yanks.«
»Was für ein ordentlicher Mensch du bist. Na ja, ich bin auch froh, wenn es losgeht. Ich hab’s ziemlich satt, Mitglieder von Hoares Regierung, die die Hosen voll haben, zum Hafen zu geleiten und auf Schiffe nach Frankreich zu verfrachten.«
»Ah. Deshalb bist du hier.« Sie erzählte ihm nicht immer, was sie nach Hastings führte, und er wollte es in aller Regel auch gar nicht wissen.
»Je eher ich nach Richborough zurück kann, desto
besser. Ist noch was von der Marmelade da?« Sie schnappte ihm das Stück Brot aus der Hand, leckte die bestrichene Seite ab und grub ihre Zunge in die Marmelade.
Er konnte sie riechen, ungewaschen, noch nach dem Bett duftend. Selbst die Art, wie sie ein Marmeladenbrot aß, war übertrieben erotisch. »Wenn die Amerikaner kommen, war’s das für uns, nehme ich an.«
»Glaube ich auch. War schon eine komische Sache, was, Sergeant George? Wir beide . Und trotzdem hat es drei Jahre gehalten.«
»Ich versteh’s nicht«, sagte er steif. »Und werd’s wohl auch nie verstehen.«
Sie küsste ihn leicht. Ihre Zunge schnellte in seinen Mund, und er schmeckte die Erdbeeren. Ihre Zunge zog sich zurück, und seine folgte ihr; sie biss ziemlich fest auf die Spitze, und er zuckte zurück. Sie lachte ihn aus. »Du verachtest mich«, sagte sie. »Du musst mich verachten. In deinen Augen bin ich eine Verräterin. Aber für mich bist du der Verräter, weißt du. Du und die ganzen anderen unter einer Decke steckenden, selbstzufriedenen Engländer, die ihr mit eurer Sentimentalität und euren falschen Loyalitäten zugelassen habt, dass uns unsere Bestimmung entglitten ist. Ihr solltet euch Deutschland im großen Krieg gegen den Bolschewismus anschließen!«
»Ich glaube, du bist komplett verrückt. Genau wie ich.«
»Ein Paradox, was?«
Sie standen da, ihre Münder nur Zentimeter voneinander
entfernt; ihr Atem vermischte sich. Es gab ein weiteres Krachen, so stark, dass das Geschirr auf Georges Anrichte klapperte.
»Scheiße«, sagte er.
»Das kam von Süden.« Sie ging zum Fenster. »Sie bombardieren den Hafen.« Julia strich sich die Haare aus dem Gesicht und spähte zum Himmel hinauf. »Da oben sind Flugzeuge, Bomber. Wir haben damit gerechnet, dass die Alliierten das tun würden. Die Häfen zerstören, um uns einzuschließen, während sie von Norden auf dem Landweg angreifen.«
»Julia. Hör mal – geh nicht zurück nach Richborough. Bleib hier.«
»Bei dir?« Es klang ungläubig, als wäre das eine absurde Idee.
»Ergib dich. Dir muss doch klar sein, dass der Krieg verloren ist.«
»Das ist mir ganz und gar nicht klar.« Sie musterte ihn von oben bis unten. »Weißt du, auf einmal habe ich das Gefühl, als würde ich aus einem Albtraum erwachen. Warum habe ich meine Zeit mit einem fetten alten Dummkopf wie dir vergeudet? Oh, der Krieg ist noch keineswegs verloren. Und sobald ich wieder in Richborough bin, werde ich ihn gewinnen, so viel steht fest. Was dagegen, wenn ich als Erste ins Bad gehe?« Sie eilte hinaus. Der Dampf ihres halb ausgetrunkenen Kaffees kringelte sich in der Luft.
Es gab eine weitere Explosion, einen Schlag, der alles erbeben ließ, und George presste sich die Hände auf die Ohren.
IX
Die zurückweichenden Deutschen hatten ein Chaos hinterlassen. Brücken waren routinemäßig in die Luft gesprengt, die Straßen aufgerissen, die Dörfer in Brand gesteckt worden.
Garys Trupp marschierte an einem ausgebrannten
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