Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
folgte.
    Danny Adams stocherte in der Erde. »Hier drüben, Jungs. Der Graben ist weitgehend leergeräumt, aber ich glaube, da sind Waffen. Seht ihr, in der Erde begraben, wo die Wand eingestürzt ist?«
    Gary ging hinüber. »Panzerfäuste.« Sie waren an diesen Waffen ausgebildet worden; wie sich herausgestellt hatte, eigneten sich die raketengetriebenen Granaten einer Panzerfaust, die eigentlich einen Panzer ausschalten sollten, auch hervorragend, um ein Loch in die Mauern eines Hauses zu sprengen.
    »Kommt, buddeln wir sie aus. Ich besorge einen Lastwagen.«
    Gary kletterte in den arg ramponierten Graben, der eindeutig ein paar Granattreffer abbekommen hatte; man sah noch die Krater in den Grabenwänden. Die meisten Leichen waren mehr oder weniger unversehrt,
Opfer der Druckwellen, aber einige waren zerrissen worden, und man musste aufpassen, wohin man trat. An einer Stelle sah Gary, dass ein Mann im Sterben auf einen anderen gefallen war, und überall lagen ärztliche Ausrüstungsgegenstände herum, Mullbinden, Spritzen, ja sogar ein Stethoskop.
    »Ein Arzt«, sagte Willis. »Getötet, als er gerade einen anderen behandelt hat, oder was meinst du?«
    »Sieht so aus.«
    »Komisch, was? Er ist hiergeblieben, um seine Pflicht zu tun, und das hat ihn das Leben gekostet. So was beweist doch, dass es keinen Gott gibt. Na dann …« Er angelte mit seinem Gewehrlauf nach dem Stethoskop und bekam es zu fassen. »Das ist ein Souvenir, das man nicht alle Tage sieht.«
    »Ja«, knurrte Dougie Skelland. »Du kannst es benutzen, um rauszufinden, ob du ’n Scheiß-Herz hast, du Schwuchtel.«
    »Haltet die Klappe«, sagte Danny Adams, »und ladet die Panzerfäuste auf.«

X
    5. Juli
    Um Mitternacht, als der vierte Juli dem fünften Platz machte, war der Rückzug in vollem Gange.
    Sie mussten pausenlos durch die Nacht marschieren, in pechschwarzer Finsternis, Schritt für Schritt nach Süden, den kleinen englischen Landstraßen folgend. Die Dunkelheit war ihr einziger Schutz vor den schweren englischen Geschützen und den Flugzeugen, die fortwährend über sie hinwegbrummten. Sie durften nicht einmal eine Taschenlampe einschalten, um zu sehen, wohin sie gingen, und Heinz bekam eins aufs Dach, als er sich eine seiner Zigaretten anzuzünden versuchte. Also taumelten sie im Dunkeln vorwärts, stolperten ständig über den von Panzerketten aufgerissenen Asphalt und stießen mit leisen Flüchen gegeneinander.
    Als das Morgengrauen in den Himmel sickerte, war Ernst erschöpft. Seit ihre Stellungen sturmreif geschossen worden waren, befanden sie sich nun praktisch schon vierundzwanzig Stunden lang auf dieser unbeholfenen, unkoordinierten Flucht, kaum imstande, sich auch nur einen Moment lang körperlich oder seelisch auszuruhen. Er wusste nicht mehr, wann er
das letzte Mal etwas gegessen hatte, und über Stunden hinweg hatte er nichts anderes zu trinken gehabt als das Wasser aus seiner Feldflasche, die er aus brackigen Pfützen in den Gräben nachfüllte. Im grauen Licht der Dämmerung nahmen die klobigen, schmutzigen Schatten der Männer um ihn herum Gestalt an, und alles kam ihm unwirklich und fern vor, als sähe er einen Kinofilm in Schwarz-Weiß.
    Gegen neun Uhr morgens hörten sie das Dröhnen von Motoren und das Rasseln von Ketten in ihrem Rücken. Sie gingen eiligst in Deckung, weil sie dachten, die alliierte Armee hätte sie eingeholt. Aber der Panzer an der Spitze der Kolonne war ein Tiger. Die Männer kamen wieder heraus, die Beine mit Schlamm und Tau bespritzt.
    Die Fahrzeuge fuhren von der Straße, so dass sie einigermaßen geschützt waren, und hielten. Die Kolonne war ein bunt zusammengewürfelter Haufen, ein paar Panzer, einige Selbstfahrlafetten und eine Schlange voll besetzter Truppentransporter mit offener Ladefläche. Die Männer stiegen ab, die Soldaten tauschten Zigaretten, und einer reichte eine Flasche Schlehenlikör herum, die er in einem Bauernhaus gestohlen hatte. Offiziere, Unteroffiziere und Feldgendarmen aus der Kolonne und den Infanterieeinheiten steckten die Köpfe zusammen und verhandelten. Die meisten gehörten zur Wehrmacht, aber es waren auch einige SS-Leute darunter, und andere, sehr aufgeregte Männer trugen die braunen Uniformen der Partei. Mechaniker arbeiteten an einem der Lastwagen, aus dessen
Auspuff schwarzer Rauch quoll. Da er eindeutig den Geist aufgab, saugten sie das Benzin ab und schlachteten ihn aus, indem sie Reifen, Zündkerzen und andere Teile abmontierten. Was sie nicht

Weitere Kostenlose Bücher