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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Ben Kamen?«
    »Gib dir wenigstens Mühe, deine Feigheit zu verbergen«, sagte Julia. »Weißt du, Josef, das Einzige, was ich jemals an dir bewundert habe, das Einzige , war deine Unverfrorenheit. Wie du deinen Bruder immer so sinnlos schikaniert hast – das hat mir gefallen. Ich habe wohl etwas von mir in dir gesehen. Jetzt widerst du mich nur noch an. Ach, lass uns arbeiten; das haben wir noch gemein.« Sie drehte sich wieder zu Ben um und schaute ihm in die Augen. »Die Arbeit! Wie wundervoll sie ist, wie anregend. Findest du nicht auch, Ben Kamen?«
    Ben, gefesselt und betäubt, kaum fähig, einen Muskel zu bewegen, tat sein Bestes, ihren Blick zu erwidern. Ihm war klar, auf welche Reaktion sie es abgesehen hatte.
    Sie wusste, Ben war nach wie vor davon überzeugt, dass es bei der Veränderung der Vergangenheit um alles oder nichts ging. Falls der Webstuhl funktionierte
 – und er wollte immer noch nicht zugeben, dass es tatsächlich so war, dass nicht alles nur eine törichte Illusion war –, dann starb er jedes Mal, wenn er in seinen Drogenschlaf versetzt wurde, weggefaltet wie ein zusammengeknülltes Stück Papier, so wie die gesamte Geschichte. Und der soeben aufgewachte Ben existierte in gewissem Sinn erst seit ein paar Minuten, seit die Veränderung erfolgt war, und all seine Erinnerungen bezogen sich auf eine vollkommen neue Geschichte, eine Erfindung. Davon war er überzeugt, und es erfüllte ihn mit einem tiefen, existenziellen Entsetzen.
    Und diese höllische Frau wusste es. Als sie jetzt in Bens Kopf schaute, suchte sie nach der panischen Angst, die seine Seele erfüllte. Sie genoss sie, eine Connaisseurin der Schmerzen.
    Das Labor erbebte erneut. Julia hielt Ben zwar noch immer in einem Käfig fest, aber nun waren sie selbst und all ihre Projekte bedroht. Er erwiderte ihren Blick und grinste. Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse mit gefletschten Zähnen, und sie wandte sich ab.
    »Schaut euch das an«, sagte Trojan. »Der Fernsehsender ist wieder in Betrieb! Die Alliierten haben die Promi-Station übernommen.«
    »Wie unternehmungslustig von ihnen«, sagte Julia. »Ah. Amerikanische und britische Soldaten reichen sich die Hände. Wie praktisch, dass eine Kamera dabei war, um den historischen Moment aufzuzeichnen, als ihre beiden Stoßkeile sich nördlich von Hastings getroffen haben … Oh, und da ist Churchill, der auf
den Klippen von Dover spazieren geht – na klar, der darf auch nicht fehlen. Der große Opportunist steht in den Ruinen seines Landes, feiert einen Sieg, der nicht seiner ist, und schaut aufs Meer hinaus, dorthin, wo schon seine nächsten Eroberungen warten. Und diese Leute nennen Hitler einen Kriegstreiber!«
    »Glaubst du, all dies ist ein Vorgeschmack auf das, was kommen wird, Julia? Alle bündeln sie ihre Ressourcen gegen uns – werden wir dieses Muster für den Rest des Krieges ertragen müssen, bis Amerikaner und Russen sich in den Ruinen Berlins die Hände schütteln?«
    »Du bist ein Dummkopf, Josef Trojan. Ein Dummkopf und ein Feigling. Vergiss nicht, jetzt, wo wir so weit gekommen sind, kann ich die Arbeit auch alleine beenden. Ich brauche dich nicht. Nicht mehr.«
    »Das vergesse ich nicht«, sagte Trojan. »Keine Minute lang. Oh, schau – eine Flugparade. Lauter Spitfires. So schöne Maschinen, findest du nicht?«
    Julia warf einen prüfenden Blick auf die Anzeigen der Monitore neben Bens Käfig. »Das Versuchsobjekt ist bereit. Noch ein paar Minuten mit den Bändern, dann können wir ihn auf seine letzte Reise in die Vergangenheit schicken.« Sie grinste. »Hör gut zu, kleiner Mann.« Außerhalb von Bens Blickfeld legte sie einen Schalter um.
    Eine aufgezeichnete Stimme begann ihm ins Ohr zu sprechen. Er versuchte, nicht zuzuhören, an andere Dinge zu denken, seinen Kopf zu leeren. Aber er spürte, wie ein leichtes Sedativum in seine Adern glitt und
seine Entschlossenheit wegspülte, während das Testament der Eadgyth in seinen Kopf strömte:
    Am Ende der Zeit
Wird er kommen
Zum Schweif des Pfaus:
Die Spinnenbrut, der Christusträger
Der Täuberich …
Schickt den Täuberich nach Osten! Oh, schickt ihn
nach Osten!
    Ein weiteres Krachen, das alles erbeben ließ – ein Granateneinschlag ganz in der Nähe –, und die Schüsse der Handfeuerwaffen wurden lauter.

XV
    Die große Kanone des Sherman-Panzers feuerte einen Schuss nach dem anderen in die Überreste des gedrungenen Betonturms, der zentralen Festung des Richborough-Komplexes. Die

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