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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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der Krieg ausgebrochen ist, bin ich geblieben und arbeite jetzt als Stringer für ein Blatt in Boston.«
    »Als was?«
    »Als Korrespondentin. Aber hier in Colchester bin ich eigentlich, um ein paar historische Nachforschungen anzustellen. Ich gehe einem Dokument nach, das mir jemand gegeben hat.« Es war Ben Kamen gewesen, der junge österreichische Jude, der sich mit Gary angefreundet hatte. »Es geht um Kaiser Claudius. Colchester war früher ein großes römisches Zentrum – eine Garnisonsstadt, so wie jetzt auch. Ich war im Archiv eines Klosters außerhalb der Stadt, in dem ein mittelalterlicher Mönch namens Geoffrey Cotesford seine letzten Tage verbrachte. Komischerweise kannte
Cotesford einen Wooler, der vielleicht zu den Vorfahren meines Mannes gehörte … Oh. Tut mir leid.«
    Doris lächelte. »Sehe ich aus, als käme ich nicht mehr ganz mit? Das ist unhöflich von mir. In Geschichte bin ich nicht so bewandert. Wer ist dieser Claude?«
    »Claudius. Der römische Kaiser, der Britannien erobert hat.«
    »War das nicht Julius Caesar?«
    »Nein. Lange Geschichte.«
    »Ich weiß nicht mal das Geringste über diese verflixte große Burg, unter der wir sitzen. Die Normannen haben sie erbaut, oder? William der Eroberer und seine Bagage.«
    »Ja, richtig. Aber auch das ist eine lange Geschichte. Dieses Kellergewölbe stammt von den Römern, aber es ist eigentlich gar kein Keller. Colchester war früher die Hauptstadt der alten Britannier. Nach der Eroberung haben die Römer genau hier an dieser Stelle einen großen Tempel für Claudius errichtet. Dieses Gewölbe ist in Wahrheit das Fundament des Tempels, eine Art große Bodenplatte aus römischem Beton.«
    »Erst sind also die Römer gekommen, dann die Normannen, und jetzt verstecken wir uns unter all dem vor den Deutschen.«
    »Tja, da haben Sie Ihre Geschichte.«
    Im Schutzraum kehrte nun allmählich Stille ein. Die Kinder beruhigten sich nach und nach und schliefen ein, einige der Erwachsenen unterhielten sich mit leiser Stimme. In einer halbdunklen Ecke in der Nähe
des WVS-Tisches sah Mary ein Paar, das sich leidenschaftlich küsste.
    »Ich höre nicht mehr viel Flugzeuglärm, und Sie?«, fragte Doris leise. »Vielleicht kommen wir heute Nacht glimpflich davon. Ich muss gleich wieder raus und nachsehen, ob alle dort sind, wo sie sein sollen. Wir haben Listen, die wir abhaken müssen, sonst werden wir von den Offizieren zusammengestaucht. Aber vielleicht haben wir heute Nacht …«
    Es gab einen Schlag, als sause eine große Faust herab. Der alte Gewölbekeller erbebte, und Staub und kleine Mauerwerkstücke rieselten von der Decke. Auf einmal war der Raum voller Lärm; Kinder schrien, und jemand mit einem blutroten Fleck auf der Stirn rief um Hilfe. Doris klammerte sich angsterfüllt an Marys Hand; Mary legte den Arm um sie.
    Dann folgte ein weiterer, noch heftigerer Schlag, und das Licht flackerte und erlosch.

VIII
    14. September
    Hilda Tanner fand Ben Kamen genau dort, wo der Leiter seiner Home-Guard-Einheit gesagt hatte: draußen auf dem Land, ein paar Kilometer nördlich von Hastings, wo er mit einem Trupp anderer Männer Löcher grub.
    Sie stellte ihren Wagen ab und ging durch ein stoppeliges Maisfeld. Es war ein schöner, heller Samstagnachmittag mit einem leisen Hauch herbstlicher Kühle in der Luft. Überall auf dem Feld lagen kaputte Traktoren und andere Fahrzeuge herum, außerdem so große Drahtrollen, dass Hilda hätte hindurchsteigen können.
    Weit im Süden, über Hastings, fand gerade ein Luftgefecht statt. Hilda kam sich wie eine Veteranin des Luftkriegs vor, denn die Radarstationen, auch ihre eigene, waren bereits unter Beschuss genommen worden. Sie erkannte die aus vier Maschinen bestehenden »Schwärme« der Messerschmitt 109 an ihrer Flugweise, und die Stuka-Bomber, die wie Raubvögel zu ihren Zielen hinabtauchten. Die Geschütze am Boden schossen zurück, und Feuerbälle zischten zu den Flugzeugen hinauf. Hinter dem Horizont stieg eine gewaltige Rauchwolke vom Boden empor. Vielleicht war
eines der Flugzeuge abgestürzt. Der Himmel war voller Rauch und Farbe; die Leuchtspurgeschosse der Messerschmitts waren leuchtend gelb und grün.
    Es war ein erstaunlicher Anblick, wenn man nicht weiter darüber nachdachte. Aber die Arbeiter auf dem Feld blickten nicht einmal auf. Solche Schauspiele erfüllten den Himmel in der Umgebung der Städte, Häfen und Flugplätze Südenglands nunmehr seit einem Monat. Einmal hatte es eine eintägige Pause

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