Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
Hilda.«
    »Gut. Also dann …«
    »Heilige Mutter Gottes.« Tom hatte aufgehört zu graben und starrte nach Süden.
    Über Hastings war einer der Sperrballons in Brand geraten. Er verlor seine Form und trieb, langsam herabsinkend, über den Himmel, eine leuchtende Träne.

IX
    20. September
    So versammelten sie sich an einem trüben Freitagvormittag im muffigen Wohnzimmer von George Tanners kleinem Reihenhaus in der Altstadt von Hastings.
    Als Mary die Treppe herunterkam, ein Bündel ihrer Rechercheergebnisse unter dem Arm, sah sie George, Ben Kamen, Gary und Hilda vor sich, die ziemlich steif nebeneinander standen und alle eine Teetasse mit Untertasse in der Hand hielten. Die Fenster waren zugeklebt, und in den Ecken standen Sandeimer. Alle außer Mary trugen Uniform, George seine Polizistenjacke, Gary und Hilda die Monturen der Army beziehungsweise der Air Force, und selbst Ben Kamen hatte das ein wenig zerknitterte, Army-ähnliche Khaki der Home Guard angezogen. Es hätte ein gutes Gruppenbild abgegeben, dachte Mary, die sie mit dem Auge der Journalistin betrachtete.
    Gary und Hilda blieben schüchtern zurück. »Oh, heute ist eine Karte für Sie gekommen, Mary.« George nahm sie vom Kaminsims und reichte sie ihr. Sie warf einen raschen Blick darauf; es war eine Postkarte, in einer runden, unbekannten Handschrift an sie adressiert.

    Ben konnte es kaum erwarten, mit Mary zu sprechen. Er trat vor. »Mary, Hilda meinte, Sie hätten etwas rausgefunden?«
    Mary warf Gary und Hilda einen Blick zu. »Wir können später darüber sprechen. Kurz gesagt, ich bin Ihrem Hinweis auf Geoffrey Cotesford gefolgt und habe dabei in Colchester einiges ausgegraben. Schauen Sie sich das mal an.« Sie reichte ihm ihr Bündel Dokumente, teils Kopien aus dem Archiv, das sie in Colchester besucht hatte, teils eigene Notizen.
    Ben las hastig: »›Der Zeitteppich: wie von mir dargestellt; bei dem die langen Kettfäden die Geschichte der ganzen Welt sind und die von einer Webkante zur anderen verlaufenden Schussfäden Verzerrungen dieser Geschichte infolge der Ablenkungsmanöver eines unbekannten Webers, sei er nun Mensch, Gott oder Teufel …‹ Du meine Güte.«
    »Das ist alles wirklich sehr seltsam«, sagte Mary. »Wir müssen uns unterhalten.«
    »Ja, aber nicht jetzt, Mom, also wirklich«, brach Gary endlich sein Schweigen. »Hört mal, wir haben nicht viel Zeit. Ihr wisst ja, dass ich heute in Bewegung gesetzt werde. Wir möchten euch Zeit geben, euch an den Gedanken zu gewöhnen, bevor … na ja, bevor wir alle wieder unseren verschiedenen Aufgaben nachgehen.«
    George schaute verwirrt drein. »An welchen Gedanken ?«
    Gary zögerte. Das Schweigen zog sich in die Länge. Marys Herz klopfte vor Stolz, als sie ihn in der frisch
gebügelten Uniform mit seinem rothaarigen Mädchen an der Seite dort stehen sah, selbst wenn es ihr in der Seele wehtat, daran zu denken, was dieser Krieg ihm bereits angetan hatte.
    Und plötzlich wusste Mary, warum sie hierherbestellt worden war. »Ihr habt’s getan, stimmt’s?«
    Ben grinste. »Gary, du Schuft.«
    » Was getan?«, blaffte George. »Wäre jemand vielleicht mal so freundlich, mir zu sagen, was …«
    Hilda hob die linke Hand. Der Ring an ihrem Finger war ein schlichtes goldenes Band. »Er hat meiner Mutter gehört«, sagte sie und wandte sich trotzig ihrem Vater zu. »Weißt du, Dad, es ging alles so schnell. Wir haben überhaupt erst letzten Freitag beschlossen, es zu tun, als Garys Marschbefehl kam und wir wussten, dass uns die Zeit davonlief. Und dann sind wir ins Rathaus gegangen und haben dort einen Standesbeamten gefunden, der bereit war, sich sofort um uns zu kümmern …«
    »Um euch zu kümmern«, spöttelte Ben.
    »Halt die Klappe, Ben«, sagte Gary milde.
    »Wir wollten dich dabeihaben, Dad, natürlich wollten wir das«, sagte Hilda. »Und Sie … dich auch, Mary. Aber wir wollten diese Chance nicht verstreichen lassen, bevor … ihr wisst schon. Falls wir keinen zweiten Versuch mehr haben. Und außerdem …«
    »Und außerdem«, sagte Mary trocken, »dachtet ihr, wenn ihr uns vorher davon erzählt hättet, hätten wir vielleicht nein gesagt. Tja, du bist nicht die einzige Kriegsbraut, oder?«

    Gary sah sie unsicher an. »Freust du dich für uns?«
    »Ach, natürlich, mein Schatz.« Sie ging zu ihm hinüber und umarmte ihn. Der stechende Geruch seiner neuen Khaki-Uniform stieg ihr in die Nase. »Es ist ein Schock. Aber wir leben in einer Welt der Schocks, nicht

Weitere Kostenlose Bücher