Diktator
jedoch, dass die Flut der deutschen Offensive Zentimeter um Zentimeter – Leben um Leben – zu den Verteidigern emporstieg, und ihre Stellungen verstummten eine nach den anderen, von einer ratternden Gewehrsalve oder einer krachenden Explosion außer Gefecht gesetzt.
Und als er in der zunehmenden Helligkeit den Strand erklomm, erkannte er allmählich das Ausmaß der Operation, die sich um ihn herum entfaltete. Rechts und links, überall an den sechs Kilometern dieses flachen Strandes, so weit er sehen konnte, rückten Männer vor, kämpften und starben, und die Sechsundzwanzigste Division erreichte allmählich ihr Ziel. Unten am Ufer, hinter dem Durcheinander aus Sturmbooten und zersplitterten Lastkähnen, drangen weitere Truppentransporter zum Land vor, und etliche saßen noch immer draußen vor der Küste fest. Doch die Pionierkompanien
landeten bereits ihr schwereres Gerät an. Er sah, wie Mörser, Maschinengewehre, eine große Panzerabwehrkanone und sogar ein Flakgeschütz zusammengebaut wurden. Die ersten Pferde wurden an Land gebracht; sie bockten nervös, als sie durch die Gischt geführt wurden. Einige Männer mühten sich sogar ab, die Kähne wieder ins Wasser hinauszuziehen, damit sie über den Kanal zurückgeschleppt und mit der zweiten Welle beladen werden konnten.
Am Kopfende des Strandes musste er schließlich um die großen Betonwürfel der Panzersperren herumkriechen. Dann kam er zum Stacheldraht, der von der ersten Welle von Technikern bereits zerschnitten und beiseitegezogen worden war.
Endlich war er fast unter der Stirnwand dieses verdammten Bunkers angelangt. Er bestand aus reinem Beton, der glänzte, als wäre er noch feucht. Ein Mann stürmte darauf zu, warf in hohem Bogen eine Granate durch den Schlitz und duckte sich. Die Granate detonierte mit einem dumpfen Knall, Rauch und Feuer wogten kurz aus dem Schlitz, und der Bunker war zum Schweigen gebracht. Ernst jubelte mit den anderen und wünschte, er hätte die Granate selbst werfen können.
Dann ein weiterer Vorstoß, und er war auf Gras, und der Strand lag endlich hinter ihm.
Er hörte ein kehliges Brüllen. Auf dem Rücken liegend, drehte er sich schwer atmend um.
Ein Amphibienpanzer kam aus dem Wasser, den Schnorchel erhoben wie einen Elefantenrüssel, ein
Ungeheuer, das aus der Tiefe emporstieg. An einem Tag voller außergewöhnlicher Eindrücke war dieser Schwimmpanzer der erstaunlichste. Aber ein Verwundeter, der hinter einem Leichenhaufen Deckung gesucht hatte, befand sich direkt in seiner Bahn. Schreiend und sich windend versuchte er, aus dem Weg zu kriechen. Doch der Panzerfahrer konnte ihn nicht sehen, und er wurde in den Kies gepresst. Die Eingeweide quollen ihm aus dem Mund und dem Arsch wie Zahnpasta aus einer Tube.
XVI
Ben Kamen beobachtete die Landungen vom Ausguck hoch oben auf den Mauern von Pevensey Castle aus.
Bei Sonnenaufgang wurde der Strand von einem Horizont zum anderen vom Aufblitzen der Schüsse erhellt, und vom Meer, wo die deutschen Schiffe auf die Küstenstellungen feuerten, kamen auch Granaten. Selbst große Geschütze auf dem Kontinent – schwere Eisenbahngeschütze, vielleicht Bruno-Kanonen – nahmen das Gebiet unter Feuer. Und einer nach dem anderen wurden die Geschützstände und Martello-Türme, die Panzergräben und Bunker, die während des Sommers so hastig bemannt worden waren, zum Schweigen gebracht.
Ben ließ den Blick über das Innere der Festung schweifen. Er befand sich beim Westtor, einem Überbleibsel des römischen Kastells. Die römische Mauer umgab eine Gruppe mittelalterlicher Gebäude, eine kleine Festung innerhalb der mächtigeren Ruine. Diese gewaltige Fläche umschlossenen Raumes hatte William von der Normandie seinerzeit veranlasst, seine Invasion hier zu beginnen; es war ein gut zu verteidigender Ort für die Landung seiner Soldaten in jener ersten, entscheidenden Nacht vor neunhundert Jahren gewesen.
Nun, seit damals war das Meer zurückgewichen. Und jetzt, nach all dieser Zeit, war die Festung wegen einer weiteren Invasion, eines weiteren Krieges umgebaut worden. Die Burg beherbergte eine Garnison, zu der neben regulären britischen und kanadischen Einheiten auch Mitglieder der Home Guard wie Ben gehörten. In die Ruinen des Bergfrieds hatte man Bunker eingebaut, und die Türme der inneren Burgmauer waren zu Truppenunterkünften umgerüstet worden. Die charakteristische, schlitzförmige Schießscharte eines modernen Bunkers in offenkundig mittelalterlichem Mauerwerk,
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