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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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Feuer.
    Der Unteroffizier des Kahns drehte sich im grauen Licht um. Er war jünger als Ernst, aber seine linke Wange wurde von einer riesigen, bläulichen Narbe verdunkelt, die er sich irgendwo während des stürmischen Vorstoßes der Nazis durch Europa geholt hatte. »In Ordnung, Leute. Also, wir haben das oft genug geübt. Die Vorausabteilung sichert den Strand. Sie gibt uns Deckung, wenn wir landen, und wir werden unsererseits den Kommandokompanien Deckung geben müssen. Danach teilen wir uns in unsere Sturmkompanien auf, verschwinden von dem verdammten Strand, arbeiten uns durch den Morast weiter oben, und vor dem Frühstück sind wir dann schon in den Hügeln.« Noch während er das sagte, konnte jeder sehen, dass der Plan keinen Sinn ergab. Der Unteroffizier sah sich Reihen großäugiger, unter ihrer schwarzen Tarnbemalung oftmals bleicher Gesichter gegenüber. »Okay, prüft euren Rettungsgürtel«, sagte er. Das war ein klobiges, autoreifenähnliches Ding, das
man unter der Kleidung trug. Ernst hatte seinen bis unter die Achseln hochgeschoben. »Denkt daran, was die Offiziere gesagt haben. Niemand macht halt, um Verwundeten beizustehen. Um die kümmern sich später andere. Eure Aufgabe ist es, vorzurücken. Vergesst das nicht …«
    Ein Motor brüllte auf, und ihr Kahn, einer von einer Vierergruppe, pflügte erneut vorwärts. Der Schlepper, der sie über den Kanal gebracht hatte, musste draußen auf See bleiben; ein kleineres Motorboot zog sie zum Land. Ob der Plan überholt war oder nicht, spielte keine Rolle. Sie gingen in den Kampf.
    Als sie sich dem Strand näherten, prallte der Kahn gegen die anderen um ihn herum, und sie vereinigten sich zu einer so dichten Traube wie im Hafen von Boulogne. Doch nun kamen sie in Reichweite des Granatfeuers, und Ernst duckte sich in den Schutz des Rumpfes. Von den Detonationen aufspritzendes Wasser regnete auf die Männer herab, einmal aber auch die Splitter eines zerstörten Bootes.
    In der Nähe erklangen Schreie, und Ernst hörte Metall reißen. Er riskierte einen weiteren Blick. Einer der Kähne seiner Gruppe war aufgerissen; er kenterte, und die Männer darin fielen ins Wasser. Die Flanke des Kahns hatte sich an einem Gewirr von Gerüststangen verfangen, die, freigelegt von der ablaufenden Flut, aus dem Wasser ragten.
    Kieselsteine schabten am Rumpf, und Ernsts Kahn schaukelte. Er war auf Grund gelaufen. Die Schwingtore öffneten sich, und die Rampe am Bug des Schiffes
wurde herabgelassen. Der Unteroffizier sprang auf. »Raus! Raus …!« Der Schuss traf ihn in den Mund. Sein Hinterkopf zerplatzte, und er fiel mit lose herabbaumelndem Unterkiefer ins Wasser.
    Die Männer duckten sich erneut. Aber jetzt hatte sich ein englischer MG-Schütze eingeschossen. Die Kugeln punktierten den Kahn der Länge nach und durchbohrten die Körper von Männern, die einer nach dem anderen aufschrien.
    »Alle Mann raus!«, rief Ernst. »Wir sind hier ein leichtes Ziel!« Er stand wieder auf, und Männer drängten sich hinter ihm und versuchten, von dem Kahn herunterzukommen. Ernst merkte, dass er nicht zur Rampe gelangen würde. Ohne sich Zeit zum Nachdenken zu nehmen, rollte er sich über die Bordwand des Kahns.
    Er fiel in höchstens hüfthohes Wasser und tauchte unter. Das Blubbern des Wassers erfüllte seine Ohren. Das Meer war trübe und kalt, und der Tornister auf seinem Rücken sowie seine Stiefel fühlten sich ungeheuer schwer an. Er bemerkte, wie um ihn herum andere ins Wasser fielen; ein stämmiger Soldat wäre beinahe auf ihm gelandet. Und er sah die Kugeln, die sich ins Wasser bohrten; sie erzeugten Spuren wie winzige tauchende Vögel. Er schlug um sich und versuchte, auf die Beine zu kommen. Der Auftrieb des Rettungsgürtels unter seinen Achseln half ihm dabei.
    Sein Kopf durchbrach die Wasseroberfläche, und die Luft war von Geschrei, dem Pfeifen von Kugeln und dem Zischen schwerer Geschosse erfüllt. Er stieß
die Hände nach unten, schürfte sie sich auf dem Kies auf, bekam schließlich die Füße unter sich und richtete sich auf. Mit gesenktem Kopf und erhobenem Gewehr lief er einfach vorwärts. Er kam nur mit Mühe voran; die Steine waren glitschig, und das Wasser zerrte unablässig an ihm. Leichen schwammen um ihn herum, einige von Kugeln durchsiebt, andere jedoch unversehrt  – offenbar ertranken manche beim Versuch, die Boote zu verlassen. Und er fror , bei Gott; damit hatte er nicht gerechnet.
    Endlich wurde das Wasser flacher, und er lief mit knirschenden

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