Diktator
Gasmaske auf den Holztisch, öffnete ein paar Knöpfe seiner Uniformjacke und wusch sich die Hände im Waschbecken.
Sie machten sich gemeinsam ein rudimentäres Frühstück, zwei Gläser Milch, dünn mit blasser Margarine beschmierte und mit altem Käse belegte Scheiben Brot.
»Die Deutschen, nehme ich an«, sagte sie.
»Ja. Sie sind bei Pevensey und in der Nähe von Bexhill gelandet, und im Osten zwischen Hastings
und Rye. Eigentlich sind sie überall an der Südküste. Heute werden sie tagsüber versuchen, weitere Truppen und Nachschub rüberzubringen, schätze ich, obwohl der Großteil der zweiten Welle heute Nacht kommen wird. Und diejenigen, die schon gelandet sind, werden ihre Stellungen ausbauen.«
»Und hierherkommen.«
»Ja, das steht zu vermuten. Wir sollen die restliche Zivilbevölkerung evakuieren. Mal sehen, ob wir ein paar Nachrichten reinkriegen.«
Er ging ins Wohnzimmer und kam mit seinem selbstgebauten Radio im Schuhkarton zurück. Er stellte es auf den Tisch, nahm einen Hörer, den er aus einem alten Telefon ausgebaut hatte, und begann, an den Einstellungen herumzufummeln. Dieser Detektorempfänger Marke Eigenbau brauchte dank eines Verfahrens, das die technisch unbeleckte Mary für ein Wunder hielt, keinen Strom.
»Ah«, sagte er. »Da ist Alvar Lidell. Ich möchte wissen, wo der jetzt steckt. Es hieß, sie wollten die BBC von London nach Bristol verlegen …« Seine Stimme verklang, während er lauschte. Er saß am Tisch, kaute sein Stück Brot, und seine Miene wurde leer, während er den alten Telefonhörer ans Ohr drückte. Mary blieb bei ihm sitzen und wartete.
»Ah, jetzt kommt’s«, sagte er schließlich. »›Die Deutschen sind in Großbritannien einmarschiert. Zu gegebener Zeit werden sie von unserer Navy, unserer Army und unserer Air Force vertrieben werden. Der Premierminister, Mr. Churchill, hat nachdrücklich betont,
dass die Männer und Frauen der Zivilbevölkerung ihren Teil dazu beitragen müssen‹ …« Er lauschte erneut. »Klingt, als würden sie in London ein wenig in Panik geraten. Sie verlegen die Staatsbeamten nach Lancashire und Wales. Die Regierung spricht mit den Amerikanern über eine ›verstärkte Kooperation‹, was immer das heißen mag. Wir könnten ein paar Panzer und Geschütze gebrauchen, Kooperation interessiert mich nicht.«
»Vielleicht machen sie irgendwelche Geschäfte«, meinte Mary.
»Euer Botschafter, Kennedy, meint, dass wir kapitulieren sollten.«
»Ja, aber wir sind nicht alle seiner Meinung. Die Vereinigten Staaten haben kein Interesse daran, dass Großbritannien den Nazis in die Hände fällt. Ich weiß, dass Churchill Militärbasen in Neufundland und auf den Westindischen Inseln gegen einen Satz alter Zerstörer getauscht hat. Vielleicht arbeiten sie an so was Ähnlichem.«
George grunzte. »Bei euch gibt’s nichts umsonst, was? Oh. Der König und seine Familie verlassen London. Das ist ein ganz schöner Schlag für die Moral.« Er legte den Hörer hin. »Tja, das wär’s. Hören Sie, Mary, verschwinden Sie einfach. Die Züge sind weg. Wenn Sie können, verlassen Sie die Stadt auf der Straße nach Battle. Die Polizei organisiert dort Konvois nach London und in den Norden.«
»Ich wollte eigentlich gerade eine Mütze Schlaf nehmen.«
»Schlaf. Gott, den könnte ich auch brauchen. Aber nicht jetzt. Die nächsten Stunden sind entscheidend.«
Sie nickte widerstrebend. »Na schön, George. Hören Sie – die anderen, Hilda und Gary …«
»Ich habe seit Freitag nichts von ihnen gehört. Kommt mir vor, als wär’s schon Jahre her.«
»Ich habe im Anderson-Schutzraum eine Nachricht hinterlassen. Dass wir uns in Battle treffen, wenn sich die Möglichkeit ergibt.«
Er nickte. »Keine schlechte Idee.«
»Was ist mit Ihnen?«
»Es ist mein Job, hier zu bleiben, Mary. Ich bin Polizist.«
»Ihr Deutsch ist lausig.«
»Mir passiert schon nichts. Und Ihnen auch nicht.« Er nahm ihre Hand, wobei er darauf achtete, ihre Brandwunden nicht zu berühren. »Sie sind tapfer. Wenn Sie ein Beispiel dafür sind, was Amerikaner tun können, dann sage ich: Je eher ihr in diesen Krieg eintretet, desto besser.«
»Tapfer? Ich glaube, ich bin bloß wie betäubt. Eines Tages werde ich für all das bezahlen.«
»Genauso wie Hitler.« George hatte sein Käsebrot aufgegessen und schaute auf seinen Detektorempfänger hinab. »Den kann ich natürlich nicht mitnehmen.« Er zog seinen Stiefel aus und ließ ihn, ohne zu zögern, wie einen Hammer auf die
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