Diktator
und steif, und viele stürzten. Aber sie halfen einander, die rund fünfzig Männer in Bens Wagen. Binnen weniger Minuten standen sie alle in einer unordentlichen, dicht gedrängten Gruppe, umringt von deutschen Soldaten mit Gewehren und drei großen, angeleinten Schäferhunden.
»Schlechte Neuigkeiten, Jungs«, rief jemand beim Anblick der Hunde. »Sie haben ihre Freundinnen rübergeholt.« Das trug ihnen einen Anraunzer auf Deutsch ein. »Schon gut, Funf, behalt deinen Helm auf.«
Im Licht der Morgendämmerung versuchte Ben zu erkennen, an was für einen Ort man ihn gebracht hatte. Er schien sich auf einem offenen Feld mit einer Decke aus grünem Gras zu befinden, in einem erhöhten, rechteckigen Areal. Lastwagenreifen hatten den Boden aufgewühlt. Grasbewachsene Gräben zerschnitten die Erde, und das Gelände war von einer halb zerfallenen Mauer umgeben. Im Zentrum sah Ben eine Betonplattform mit den darin eingebetteten Überresten eines kreuzförmigen Bauwerks. Zwei Deutsche in der schwarzen Uniform der SS stolzierten um dieses Herzstück
herum, zeigten mit Offiziersstöckchen darauf und schauten sich in dem Gelände um.
Die Luft war frisch; er konnte das Meer riechen. »Wo, zum Teufel, sind wir?«
Ein Gemurmel ging unter den Männern um. Einer von ihnen, ein Einheimischer, erkannte den Ort. Dies war Richborough, im östlichsten Ausläufer von Kent. Eine weitere alte römische Ruine, die sich jetzt in den Händen der Nazis befand.
Ein Trupp von Deutschen kam herbei, beladen mit Schaufeln. Einer ihrer Offiziere stemmte die Hände in die Hüften und rief den Kriegsgefangenen zu: »Willkommen in Ihrem Ferienlager, meine Herren. Wir müssen Sie bitten, als Anzahlung Ihre Latrinen auszuheben.« Die Soldaten warfen die Schaufeln auf den Boden.
»Oh, gut«, sagte Danny Adams. »Ein deutscher Komiker. Jetzt geht’s mir schon besser.«
Die Männer traten murrend vor.
XXVI
23. September
Mary wurde von einem energischen Klopfen an der Tür und einer deutschen Stimme geweckt.
Ein Spalt in den Verdunkelungsvorhängen ermöglichte es ihr, einen Blick auf ihre Armbanduhr zu werfen: Es war sechs Uhr morgens. Seltsamerweise wusste sie noch, welcher Tag es war: Montag. Aber nicht zum ersten Mal in letzter Zeit fiel es ihr schwer, sich daran zu erinnern, wo sie sich befand.
Als Amerikanerin, hatte Standartenführer Trojan ihr klargemacht, sei sie ein geehrter Gast. Also hatten die Deutschen Mary am Sonntagabend diese Unterkunft zugewiesen, eine Art Lagerraum in der Schule, die in der Abbey eingerichtet worden war, eine kastenförmige, nach Bleiche stinkende Kammer mit ein paar Wischmopps und ohne Möbel, aber einem Haufen englischer Armeedecken. Dank der Tüchtigkeit der deutschen Pioniere, die bereits die Versorgung wiederhergestellt hatten, gab es jedoch Strom, und in der Nähe war ein Badezimmer mit fließendem Wasser.
Bei dem Gedanken an die Leute, mit denen Mary hierhergelaufen war und die die Nacht draußen auf der Straße verbringen mussten, war sie von Schuldgefühlen
gepeinigt gewesen. Aber sie hatte nichts für sie tun können, und bei Gott, sie hatte Schlaf gebraucht. Jetzt wusch sie sich rasch, benutzte die Toilette, zog sich an und sammelte ihre schäbigen Habseligkeiten ein.
Nicht später als Viertel nach sechs verließ sie den Raum.
Der junge deutsche Soldat, der auf sie wartete, verbeugte sich. »Bitte«, sagte er auf Deutsch.
Sie folgte ihm aus dem Gebäude. Es war ein surreales Erlebnis, fast so, als würde sie von einem Diener aus einem altmodischen Hotel geleitet.
Draußen wartete ein Bus. Mit seinen Werbeflächen für Typhoo-Tee und Bovril-Fleischextrakt bot er einen profanen Anblick. Ein anderer junger deutscher Soldat saß hinter dem Lenkrad. Ein paar Leute waren bereits eingestiegen, und der Motor lief. Offenbar wartete der Bus auf sie.
Dann sah sie Josef Trojan, in einer adretten, frischen Uniform. Er kam energischen Schrittes herbei, verbeugte sich vor ihr und griff nach ihrer Hand, aber sie zuckte zurück. »Mrs. Wooler. Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen.«
»Glaub schon. Letztlich überwältigt die Erschöpfung alles andere, nicht wahr?«
»In der Tat. Das werden die englischen Armeen in den nächsten Tagen noch merken. Wie Sie sehen, haben wir dafür gesorgt, dass Sie uns verlassen können. Zusammen mit diesen anderen Leuten, die ebenfalls aus verschiedenen Gründen unseren Schutz genießen.«
»Wohin werden wir gebracht?«
»Zu einem Ort namens … äh« – er warf einen
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