Diktator
und sorgen dafür, dass ihnen die Vorräte ausgehen. Eine Art mobile Belagerung.« Er warf Gary einen Blick zu. »Na, was meinen Sie?«
Gary überlegte. »Ich bin nur ein Corporal, Sir, und das auch erst seit ein paar Tagen …«
»Oh, Sie sind ein wenig mehr als das, Wooler.«
»Das geht über meinen Horizont. Sieht so aus, als gäbe es vielleicht eine reelle Chance.«
»Ja, ja.« Mackie nickte. »Tja, so sieht’s auch für
mich aus. Eine reelle Chance. Aber nicht mehr. Sehen Sie, Wooler, der Verlust der BEF war ein schrecklicher Schlag, sowohl materiell als auch für die Moral. Wir wehren uns tapfer. Durchaus möglich, dass wir diese verdammten Deutschen heute und auch morgen aufhalten können. Aber wir brauchen garantiert mehr, als wir haben, um sie ins Meer zurückzutreiben. Und da kommen Sie ins Spiel.«
»Und darum«, sagte Gary kalt, »war es so nützlich , was Hilda zugestoßen ist.«
Mackies Gesicht war hart. »Ja, das war es. Ich weiß, wie schrecklich das für Sie ist, Wooler. Geben Sie Ihrer Mutter die Schuld, wenn Sie wollen. Peter’s Well war leider nicht die einzige Gräueltat der Nazis auf unserem Boden; Himmlers Einsatzgruppen, die Mordkommandos der SS, haben hier ebenso eifrig Blut vergossen wie auf dem Kontinent. Aber in Peter’s Well – und nur dort – hat es eine Amerikanerin miterlebt. Der Telefonanruf Ihrer Mutter aus Tunbridge Wells ist von vielen hundert Sendern in den ganzen Vereinigten Staaten ausgestrahlt worden. Und hier sind Sie, ihr Sohn und ein trauernder Ehemann, ein Amerikaner, der bereits gegen dieses schreckliche Übel kämpft.«
»Gute Propaganda, was?«
»Nein. Es ist die Wahrheit, Wooler, die kalte, ungeschminkte Wahrheit – und genau das, was nötig ist, damit Ihre Landsleute erkennen, dass unser Kampf ihr Kampf ist, dass die Nazis nicht nur eine Gefahr für uns, sondern auch für sie darstellen. Trotz der verzweifelten Lage hat Churchill in den letzten vierundzwanzig
Stunden angeblich mehr Zeit damit verbracht, mit den Amerikanern zusammenzuarbeiten, als gegen die Deutschen zu kämpfen.« Er musterte Gary. »Interventionisten gegen Isolationisten – das ist die Sprache der Debatten, die dort drüben stattfinden, nicht wahr? Aber hat nicht Jefferson persönlich gemahnt, Amerika solle stets ein Europa fürchten, das unter einer Hand vereint ist? Und nicht einmal er hat Hitler vorausgesehen. Wie auch immer, so stehen die Dinge. Sie haben Hilda verloren, ich weiß. Aber durch diesen Beitrag helfen Sie, dafür zu sorgen, dass es keine weiteren Hildas mehr gibt.«
»Ich schätze, ein jeder von uns hat seine Pflicht zu erfüllen.«
»Das ist die richtige Einstellung …«
Am Kartentisch entstand Bewegung, ebenso unter den Horchern an den Telefonen und Funkgeräten.
»Sie rücken vor«, sagte Mackie mit angespannter Stimme. »Eines Tages wird man dies die Schlacht um England nennen – Sieg oder Niederlage. Schauen Sie zu und merken Sie sich alles gut.«
XXXII
Das Feuer kam brüllend von rechts und links auf den Konvoi herab, Granaten explodierten in den Feldern und Tälern dieses gefältelten, klaustrophobischen Landes. Ein weiteres Mal stoben die Fahrzeuge auseinander. Die Panzergrenadiere rannten schreiend in die Landschaft, gefolgt von ein paar Panzern, auf der Suche nach Bunkern und anderen englischen Verteidigungsstellungen.
Ernst und die anderen Männer in den Truppentransportern sprangen heraus, um neben der Straße, so gut es irgend ging, in Stellung zu gehen. Ernst fand sich in einer Art Entwässerungsgraben wieder, der von frischem Herbstlaub verstopft war; es verströmte einen starken, rauchigen Geruch.
»Was glauben Sie, wo wir sind?«, rief er Unteroffizier Fischer zu.
»Das wissen die Götter.« Fischer sah auf seine Armbanduhr. »Ich weiß, wo wir mittlerweile sein sollten. Jenseits von Haywards Heath.« Er stolperte über den seltsamen englischen Namen.
Ernst kannte die Route in groben Zügen. Von Uckfield aus waren sie nach Nordwesten gefahren. Der Plan sah vor, dass sie den großen Landstraßen durch
Haywards Heath und Horsham folgten und dann die lange Strecke nach Guildford in Angriff nahmen. Auf der Karte sah sie schnurgerade aus. Aber kaum dass sie Uckfield verlassen hatten, waren sie mit solchen Widerstandsaktionen konfrontiert gewesen.
Erneut regnete Feuer auf die Fahrzeuge herab. Es kam keineswegs aufs Geratewohl. Die panzerbrechenden Granaten waren stets zuerst auf die Fahrzeuge an der Spitze und am Ende der Kolonne
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