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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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gerichtet, so dass die Kolonne gefangen war und ein leichtes Ziel bot.
    »Indien«, sagte Ernst.
    Der Unteroffizier schnaubte. »Wir kommen bloß ein bisschen langsam voran, Trojan, aber so sehr haben wir uns nun auch wieder nicht verirrt.«
    »Nein, ich meine, in Indien haben die Engländer diese Taktik gelernt, die Fahrzeuge an der Spitze und am Ende auszuschalten. Auf diese Weise kann die Infanterie eine mechanisierte Kolonne angreifen. Genauso haben’s die Inder zur Zeit der britischen Oberherrschaft damals gemacht. Das hab ich während unserer Ausbildung in Frankreich aufgeschnappt.«
    »So wie sie bei Dünkirchen umgefallen sind, hätte ich nie gedacht, dass die Engländer so hart kämpfen würden«, erwiderte Kieser. »Einen blutigen Zentimeter nach dem anderen, was, Leute?«
    »Aber wir rücken weiter vor, Kameraden, vergesst das nicht«, sagte der Unteroffizier. »Die Engländer sind Mistkerle, aber wir sind noch schlimmer. Hab ich recht? Die Kolonne formiert sich wieder. Steigen wir in den Wagen.«

    Vorsichtig kletterten Ernst und die anderen aus dem Graben. Die Einheiten, die das Hanggelände durchkämmt hatten, kehrten zur Straße zurück. Die schweren Räumfahrzeuge schoben die ausgebrannten Panzer beiseite, und die Motoren der LKWs erwachten hustend zum Leben. Wieder ein paar Fahrzeuge verloren, dachte Ernst, und noch etwas mehr von ihrem kostbaren Treibstoff futsch.
    Der Treibstoff war auf jeden Fall der entscheidende Faktor. Kurz vor dem Aufbruch in Uckfield war ein Konvoi von Tankwagen von der Küste heraufgekommen; seither hatte die Kolonne keinen Nachschub mehr erhalten. Die versprochenen Depots existierten nicht, und sie hatten keine einzige Tankstelle gefunden, in der es auch nur einen Tropfen reinen Benzins gab. Die Treibstoffknappheit wirkte sich bereits auf die Operation aus. Lastwagen waren stehen gelassen worden; man hatte ihre Tanks leergesaugt und ihre Ladungen auf die verbliebenen Fahrzeuge verteilt, und die in einem Land wie diesem so nützlichen Flammenpanzer waren neutralisiert worden.
    Und noch während er wieder auf die Ladefläche seines Transporters stieg, hörte Ernst das Brummen von Flugzeugmotoren. Der Luftkrieg über der Südküste hatte den ganzen Tag hindurch getobt; hin und wieder hatte er das metallische Aufblitzen eines Flugzeugs erhascht oder die kräftigen Farben von Leuchtspurgeschossen gesehen. Aber dieses neue, lauter werdende Motorengeräusch kam von hinter ihm, aus dem Norden. Er drehte sich um. Eine Staffel Blenheims stieß
wie Raubvögel auf die Kolonne herab. Aus ihren Bäuchen fielen bereits die ersten Bomben.
    »Oh, Scheiße«, sagte Kieser müde.
    Befehle wurden gebellt. »Raus aus den Wagen! In Deckung!« – »Macht die Flakgeschütze feuerbereit!«
    Die Kolonne musste sich zerstreuen, und Ernst fand sich erneut in einem Graben wieder. Die Flugzeuge waren langsam, aber der Konvoi hatte keinen Schutz; die deutsche Luftwaffe war augenscheinlich anderweitig beschäftigt.
    »Herrgott!«, rief Kieser. »Woher wissen die, dass wir hier sind?«
    »Sie haben Funkpeilgeräte«, brüllte Ernst zurück. »Daher. Und all diese verfluchten Partisanen in den Hügeln melden uns, sobald wir auch nur mal pissen gehen.«
    Die Flugzeuge kamen noch tiefer herunter, ihre Maschinengewehre spuckten Feuer, die Bomben sprengten Krater in die Straße, und Männer begannen zu schreien. Ernst kauerte im Dreck, vergrub sich in englischem Herbstlaub und zog den Helm tief in die Stirn.

XXXIII
    Lautlos glitten die Holzklötzchen über den Kartentisch und spiegelten den blutigen Horror, der sich just in diesem Moment draußen in der englischen Landschaft entfalten musste. Gary fragte sich, ob diese gelassen wirkenden Wrens Albträume hatten.
    Er warf einen Blick auf die große Wanduhr. Es war bereits zwei Uhr mittags.
    »Es klappt«, sagte Mackie. »Es klappt mit Hängen und Würgen. Schauen Sie, dort – achten Sie nicht auf die vielen Einzelheiten, konzentrieren Sie sich nur auf die Panzerdivisionen. Die Zehnte ist unterwegs nach Osten, Richtung Ashford, und die Vierte dringt gegen Lewes vor. Tja, die sind so weit von jeglichem Nachschub entfernt, dass sie genauso gut nach Hause fahren könnten. Aber der Hauptangriff wird von der Siebten und Achten getragen, die von der Küste von Sussex nach Guildford vorstoßen. Das ist die Hauptlinie des Durchbruchs. Genau dort, wo wir sie haben wollen.«
    Um den Kartentisch herum entstand Bewegung, und die Wrens schoben ihre Klötzchen immer

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