Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
entschied.
    Direkt über Ernsts Kopf gab es eine laute Explosion. Er zuckte zusammen und hielt seinen Helm fest. Ein englisches Flugzeug, dem Aussehen nach eine Hurricane, hatte einen Treffer abbekommen. Ihr Heck war verschwunden, die rechte Tragfläche zermalmt, und sie raste auf den Boden zu, trudelnd wie ein Korkenzieher. Ernst sah, wie sich der Pilot abmühte, aus seinem Cockpit zu kommen, eine winzige Gestalt, die verzweifelt herauszuklettern versuchte. Die Maschine schoss herab, verschwand hinter der deutschen Linie, und eine Explosion erschütterte den Erdboden.
    Ein Schatten ging über Ernsts Gesicht. Er drehte sich um und schaute durch den Schlitz in der Bunkerwand. Jemand blickte ihn durch den dicken Beton direkt an, nur ein paar Zentimeter von ihm entfernt. Er hatte sich angeschlichen, während Ernst von dem Flugzeug abgelenkt gewesen war. Die Hand des Mannes war erhoben. Er hielt eine Handgranate.
    Kieser sah dasselbe. »Oh, Scheiße!« Sein Gewehr knallte. Eine Kugel zischte an Ernsts Ohr vorbei, schlug in die Hand des Engländers, und einer seiner Finger zerplatzte in einem Blutregen. Er schrie auf.
    Kiesers schwere Hand krachte auf Ernsts Rücken. »Runter, Mann!«
    Die Explosion ließ den Bunker erbeben. Laub und Erdreich wurden hochgeschleudert und regneten dann herab.

    Auf dem Bauch robbten sie um die Wand des zerstörten Bunkers herum. Der englische Soldat lag auf dem Rücken und umklammerte seine zerschmetterte Hand. Kieser hielt ihm die Mündung seines Gewehrs vor die Nase. »Hello, good-bye«, sagte er in seinem gebrochenen Englisch.
    »Fuck you.« Der Engländer lachte, obwohl ihm vor Schmerzen Tränen über die Wangen rollten. »Fuck you für Peter’s Well. Und Wisborough Green. Und Rotherfield. Und Bethersden. Und …«
    Kiesers Faust krachte gegen sein Kinn. »Und fuck you für Versailles.«
    »Hey, ihr Hübschen!« Sie schauten sich um. Unteroffizier Fischer, der im Dreck hockte, winkte ihnen zu. »Überlasst ihn den Säuberungstrupps. Wir fahren weiter.«
    Sie eilten zu ihm zurück. Die drei kauerten dicht beieinander neben der Straße und zogen den Kopf ein, wenn ihr Trupp sporadisch mit Granaten bombardiert und mit automatischem Feuer beharkt wurde. Doch die Kolonne formierte sich erneut, die Panzer und LKWs rumpelten wieder auf die Straße.
    »Herr Unteroffizier?«, rief Kieser. »Ist das Ihr Ernst?«
    »So lautet der Befehl. Hört zu. Die Engländer haben alles in den Kampf geworfen, was sie haben, aber wir stehen immer noch senkrecht. Und die Reste der zweiten Welle sind auf dem Weg hierher. Immer dort zusätzliche Kräfte einsetzen, wo sich ein Erfolg abzeichnet  – sind das nicht die Worte des Führers? Und wir
bilden die Angriffsspitze. Selbst wenn die Engländer den Schwanz unserer Truppe in Stücke hacken, selbst wenn wir die Hälfte unserer Fahrzeuge wegen Benzinmangels verlieren – na und? Mobilität, das war der entscheidende Faktor dieses Krieges – unsere Mobilität. Wenn es der Siebten Panzerdivision nur gelingt, mit uns im Gefolge nach Guildford hineinzukommen – es sind bloß noch ein paar Kilometer –, wenn nur ein paar von uns heute Nacht so weit vorstoßen können, dann haben wir die Chance, einen Brückenkopf einzurichten. Und wenn die Engländer morgen erschöpft sind, können wir unsere Stellung ausbauen. Versteht ihr?« Er grinste. »Der Befehl kommt von Guderian persönlich, heißt es. Berlin ist skeptisch, aber Berlin ist weit weg. Was für ein Mann! Na los, dann mal wieder rauf auf den Wagen.«
    Während die Luftschlacht über ihnen kreischte und der englische Angriff von der linken Seite mit unverminderter Heftigkeit fortgesetzt wurde, brummte die Kolonne weiter Richtung Guildford, angeführt von den Überresten der Siebten Panzerdivision. Überall um sie herum regneten englische Granaten hernieder, immer mehr Lastwagen, Panzer und Feldgeschütze wurden ausgeschaltet oder verreckten an Treibstoffmangel, aber die anderen schlossen lediglich auf und fuhren weiter. Die Engländer versuchten verzweifelt, Straßensperren zu errichten, sie schoben sogar ihre eigenen Fahrzeuge auf die Straße, aber die Panzer brachen einfach durch.
    Für Ernst war dies eine Sturmfahrt durch die Hölle.
Die Männer in den Truppentransportern konnten nichts weiter tun, als den Kopf einzuziehen; jeder von ihnen wartete darauf, dass ein Schrapnellsplitter, eine Heckenschützenkugel oder eine Salve aus den automatischen Waffen eines englischen Flugzeugs sein Leben beendete.

Weitere Kostenlose Bücher