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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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sie.«
    »Churchill ist immer noch ein Held für sie, obwohl er wegen der Invasion zurücktreten musste.« Er dachte an Fred Miller und seine »Nar-zies«.
    »Wir haben alle gejubelt, als der alte Kriegshetzer nach kaum sechs Monaten aus dem Amt geflogen ist, obwohl er ein Leben lang darauf gewartet hatte, Premierminister zu werden, ha! Aber es war nicht die Schmach der Invasion, weißt du, sondern reiner Pragmatismus. Es gibt notwendige Beziehungen zwischen England und dem Protektorat. Churchill hat sich hartnäckig geweigert, mit uns zu sprechen – nicht mal über solche Dinge wie Kriegsgefangene und Verwundete wollte er reden. Also musste er das Feld für Halifax räumen, einen alles in allem vernünftigeren Herrn. Churchill schürt aber immer noch feindselige Gefühle gegen uns, besonders in Amerika. Je eher
ihm irgendein Kollaborateur eine Kugel durch seinen Dickschädel jagt, desto besser.«
    »Manchmal kommt mir diese ganze Besatzungsgeschichte absurd vor«, gestand Ernst. »Ich meine, was haben wir hier zu suchen, so weit weg von zu Hause? Wer sind wir, dass wir uns diesen Leuten gegenüber als Herren aufspielen?«
    Josef funkelte ihn wütend an. »Du musst immer nachdenken , was, Ernst? Ich will dir einen kleinen Rat geben. Mach dich nicht zu sehr mit den Eingeborenen gemein. Wenn du ein Mädchen willst, prima. Aber vergiss nicht, wer du bist.«
    Ernst, wie immer verärgert über derartige Belehrungen, wechselte das Thema. »Und was willst du heute am Ersten Ziel besprechen? Geht es um die Gefangenen?«
    »Unter anderem.« Josef unterdrückte mit seiner behandschuhten Hand theatralisch ein Gähnen. »Ich und irgend so ein aufgeblasener britischer Hornochse an einem Tisch, mit einem Kaugummi kauenden Amerikaner und ein oder zwei Schweizern als Vermittler. Ich muss allerdings zugeben, bei den Amerikanern gibt es das beste Essen. Natürlich lenkt mich das alles von meiner Arbeit beim Ahnenerbe ab. Du musst mein Forschungszentrum bei Richborough besuchen kommen.«
    »Du hoffst immer noch, Himmler mit diesem Geschichtsmanipulations-Unsinn rumkriegen zu können, stimmt’s?«
    »Wir werden beizeiten sehen, ob es Unsinn ist«, sagte Josef, ohne beleidigt zu sein.

    »Wenn deine Arbeit so wichtig ist, weshalb fährst du dann die weite Strecke hierher?«
    »Wir sind heutzutage alle ein bisschen überlastet, nicht wahr? Jetzt, wo die Hälfte der in Großbritannien stationierten Truppen an die Ostfront verlegt worden ist.«
    »Weißt du, ich habe bis heute Morgen kein Wort von diesem Krieg gegen Russland gehört.«
    Josef grinste. »Tja, Stalin auch nicht. Die Wahrheit dieses Krieges wird sich im Osten zeigen, Ernst – nicht Deutsche gegen Engländer oder Franzosen, sondern das Volk gegen die Slawen. Es ist großartig, wie ich höre. Drei Heeresgruppen im Vormarsch, an einer anderthalbtausend Kilometer langen Front – stell dir das vor.« Er zwinkerte Ernst zu. »Hauptsache, es bleibt mir erspart, dort dienen zu müssen!« Er schaute nach hinten zu Viv, die ihn anlächelte. »Was meinst du, soll ich ein bisschen schneller fahren? Mal sehen, ob ich es schaffe, dass ihr der Rock hochrutscht.«
    »Du bist vulgär, Josef.«

III
    Es war fast Mittag, als sie das Erste Operationsziel erreichten. In dieser Region folgte die Linie der Hauptstraße, die von Portsmouth durch Petersfield bis Milford und dann südlich von Guildford nach Reigate führte. Die eigentliche Grenze war eine Skulptur aus Draht und Beton, die sich von einem englischen Horizont zum anderen erstreckte. Wachtürme und Suchscheinwerferbatterien ragten zu beiden Seiten über die Zäune auf. »Ein solches Monument«, sagte Josef, »würde sogar Kaiser Hadrians Schatten Ehrfurcht einflößen.«
    Dies war die Demarkationslinie des Protektorats, die kein Bürger der Besatzungszone als »Winston-Linie« bezeichnen durfte. Sie schnitt ein Stück von Südostengland ab und führte von Gravesend in der Themsemündung in südwestlicher Richtung nach Portsmouth. Die Grenze entsprach ungefähr dem Ersten Operationsziel der Heeresgruppe A während der Invasion, daher der Name, der ihr bei den deutschen Truppen geblieben war. Dort war die Vorhut gestoppt worden, als die deutschen Sturmtruppen sich Amerikanern in ihren eilig errichteten Stützpunkten gegenübergesehen hatten. Es war Churchills letzter Geniestreich in den
von Panik bestimmten Tagen nach der Invasion gewesen, den Vereinigten Staaten überall entlang der Linie des Operationsziels solche Basen zu

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