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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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haben sie mir die Kniescheibe weggeschossen. Und jetzt sitze ich hier, keine dreißig Jahre später, und schneide einen Lammbraten für die verdammte Wehrmacht, während irgend so ein mieses Nar-zie-Arschloch in Kent oder Frankreich darüber entscheidet, ob mein Sohn – mein Sohn  – wieder nach Hause kommen darf.«
    »Er meint es nicht so«, sagte Irma zu Ernst. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen. »Sie wissen ja, wie er ist.«
    Ernst reagierte nicht auf Freds Worte. Er hatte im Rahmen des Standrechts die Macht über diese Leute, bis hin zur Entscheidung über Leben und Tod. Und dennoch verspürte er kein solches Machtgefühl.
    Viv kam geschäftig hereingeeilt, gefolgt von Alfie. »Hier bin ich!«Sie hatte sich ein nüchterneres schwarzes Kleid angezogen, das aus einem Verdunkelungsvorhang zusammengenäht worden war. Auf der Brust trug sie einen gelben Stern. Sie sah die um den Tisch gescharte kleine Gruppe an. »Hab ich was verpasst?«
    »Können wir nicht einfach essen, verdammt noch mal?«, fragte Alfie.
    »Deine Ausdrucksweise«, murmelte Irma automatisch.
    Fred hinkte zu einem Stuhl und setzte sich. »Gott schütze den verfluchten König.« Er nahm einen Korkenzieher aus einer Schublade und öffnete den Wein.

    »Ich schneide den Rest des Bratens auf«, sagte Ernst, erhob sich und nahm Freds Platz am Kopfende des Tisches ein. Heißes Fett spritzte auf seine bloße Haut, und der Geruch von Fleisch stieg auf, ein behaglicher, familiärer Geruch. Das rief ihm jedoch ins Gedächtnis, dass seine eigene Familie sehr weit weg war.
    Alfie grinste Viv spöttisch an. »Ich wette, vor dem SS-Offizier hast du diesen gelben Stern nicht getragen.«
    »Na, das wäre ja auch sehr geschmacklos gewesen, oder? Außerdem weiß ich, dass man einen Juden angeblich verhaften kann, wenn er keinen Stern trägt. Aber was soll man mit einem Nichtjuden machen, der einen trägt?«
    »Das ist eine törichte Geste«, sagte Ernst unbehaglich.
    »Ein Mädchen bei uns in der Schule, Jane Mathie, ist mit einem eine Woche gültigen Passierschein nach London gefahren, um ihre im Sterben liegende Großmutter zu besuchen, und sie hat gesagt, die tragen da alle solche Dinger. Sind total in Mode. Komisch, wie das so läuft, was, Ernst? Wer hätte je gedacht, dass ich mal Gelb tragen würde? Ist so gar nicht meine Farbe.«
    »Oh, Viv«, sagte Irma müde.
    Fred zog den Korken aus der Weinflasche und trank einen Schluck, direkt aus der Flasche.
    »Finden Sie mich provokativ, Herr Obergefreiter?« Viv trat näher an Ernst heran. Angestrengt weiter lächelnd, wich er zurück, aber nun packte sie ein paar Haare in seinem Nacken und zupfte sanft daran.

    »Es reicht!« Fred schlug von seinem Stuhl aus zu. Seine große Faust traf Viv in den Bauch, und sie flog nach hinten.
    »Fred! «, schrie Irma. Sie lief zu ihrer Tochter, und Alfie schob seinen Stuhl zurück und eilte hinüber. Viv rang nach Luft und versuchte, sich aufzusetzen. Sie war eine zerknautschte Masse von Verdunkelungsstoff, die Beine schräg nach außen gestellt.
    Ernst stellte benommen fest, dass er das Tranchiermesser noch immer in einer Hand und eine Serviergabel in der anderen hielt. Er wandte sich an Fred. »Was haben Sie getan?«
    »Ich lasse nicht zu, dass meine Tochter ein Deutschenliebchen wird. Das lasse ich nicht zu, hören Sie?« Er machte Anstalten, sich zu erheben.
    »Sitzen Sie still«, befahl ihm Ernst.
    Fred gehorchte. Er trank noch einen Schluck Wein. »Als wäre ich wieder im Stalag«, sagte er.
    »Au!«Irma, die neben ihrer Tochter kniete, krümmte sich zusammen, die Hände um den Bauch. »O Gott!«
    Alfie krabbelte rückwärts. »Da ist Wasser auf dem Boden. Uacks.«
    Ernst legte das Messer weg und eilte zu ihnen. »Schon gut, Alfie, lass mich mal sehen. Irma?« Er hielt sie an den Schultern und versuchte, ihr ins Gesicht zu schauen. »Das Baby?«
    Sie nickte ruckhaft. »Glaub schon.«
    »Igittigitt«, sagte Alfie.
    »Das Wasser ist normal«, sagte Ernst, der schnell überlegte. »Hier gibt’s kein Telefon. Ich werde Folgendes
tun: Ich gehe zu eurem Nachbarn, Joe, der hat eins …«
    »Nein. Nicht Sie.« Irma packte ihn mit einer klauenartigen Hand am Arm; sie drückte so fest zu, dass es wehtat. »Bleiben Sie hier .«
    Verwirrt sagte er: »Na schön. Dann muss Fred anrufen.« Er wandte sich Fred zu, der dasaß und die Weinflasche anstarrte. »Fred, rufen Sie einen Krankenwagen. Sagen Sie denen, was mit Ihrer Frau los ist. Und schauen Sie, ob Joe irgendwie helfen

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