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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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funkelte ihn an. »Wieso das denn?«
    »Der heutige Tag ist zum Feiertag erklärt worden. Es ist der Geburtstag des Königs!« Ernst lächelte.

    Fred verschränkte die Arme. »Nicht der von meinem verdammten König. Ich bin ein Untertan von King George, nicht von seinem halb verblödeten nazifreundlichen Bruder, der bei seinem Thronverzicht hätte bleiben sollen.« Er sprach »Nazi« so aus, wie Churchill es immer getan hatte: »Nar-zie«. Das Familienoberhaupt war ein untersetzter Mann mit muskulösen Bauernarmen, aber einem schwächeren Unterkörper; sein verwundetes rechtes Bein war verkümmert, und er schien immer ein wenig aus dem Gleichgewicht zu sein. Die ergrauenden Haare hatte er mit Brylcreem zurückgekämmt, was sein Gesicht kantig und falkenähnlich machte. Er trug seine Arbeitskluft, ein altes Jackett, aus dem die Taschen längst entfernt worden waren, so dass man nur noch die geisterhaften Umrisse von Nähten sah.
    Irma seufzte. »Ach, komm schon, Fred, sei nicht so miesepetrig. Edward ist gar nicht so schlimm. Er hat seinen Job zu erledigen, wie alle anderen auch. Die Wunden verbinden, wie man so sagt. Obwohl ich noch nichts von dem Feiertag gehört hatte, Herr Obergefreiter.«
    »Tja, woher auch«, sagte Alfie. »Dad will ja keine Zeitung kaufen. ›Hoare und sein gottverdammtes Kollaborateurs-Käseblatt‹.«
    »Achte auf deine Ausdrucksweise, Alfie«, sagte Irma scharf. »Wissen Sie, darüber streiten wir ständig, Herr Obergefreiter. Ich verstehe nicht, was ein paar Nachrichten schaden können. Und ich vermisse meine Stars so.«

    »Nun, Sie erfahren es ja jetzt«, sagte Ernst, der tapfer weiterlächelte. »Ein freier Tag fürs ganze Protektorat, mit Ausnahme einiger unverzichtbarer Versorgungseinrichtungen.«
    »Dann gehe ich also zu meinen Kühen und sage ihnen, dass ich heute frei habe und sie nicht zu melken brauche, ja?«, erwiderte Fred.
    Irma machte ein besorgtes Gesicht. »Ich wollte heute eigentlich nach Hastings fahren, um zu sehen, ob es Neuigkeiten über Jack und das Entlassungsprogramm für Kriegsgefangene gibt.«
    »Im Rathaus wird eine Notauskunft eingerichtet«, versicherte ihr Ernst. Er arbeitete selbst dort, neben etlichen anderen Soldaten mit den erforderlichen Fähigkeiten, die dazu abgestellt worden waren, die zur Verwaltung des Protektorats von Deutschland herübergebrachten Beamten zu unterstützen. »Wenn es Neuigkeiten gibt, werden Sie sie bestimmt erfahren.«
    »Hab allerdings keine Ahnung, wie du dahin kommen willst«, sagte Fred. »Die Busse haben auch frei, oder, Corporal?«
    »Tja, also, irgendjemand muss hin«, sagte Irma. »Viv, vielleicht könntest du mitkommen.«
    Vivs Zorn loderte wieder auf. »Warum ich? Was ist das denn für ein Feiertag?«
    »Ich komme mit, Mum«, erbot sich Alfie.
    »Du bist ein guter Junge«, lobte Irma.
    Fred grunzte. »Gut darin, sich um seine Pflichten auf dem Hof rumzudrücken, der kleine Scheißer.«
    Ernst tippte mit dem Zeigefinger auf seine Pappschachtel.
»Ihr wisst immer noch nicht, was das hier ist – das kleine Geschenk, das ich euch mitgebracht habe.«
    »Darf ich’s aufmachen?«, fragte Alfie.
    Aber Viv war zu schnell. »Glaube ich kaum.« Sie schnappte sich die Schachtel. Für eine Bauerntochter hatte sie lange Fingernägel, und nun durchtrennte sie das dicke Paketband mit einem Zeigefingernagel. In der Schachtel lag ein Bakelitklotz mit einem Lautsprechergitter und einem schweren Einstellknopf. Viv holte ihn eifrig heraus und verstreute dabei Fetzen des Packpapiers auf dem Tisch.
    »Mensch!«, sagte Alfie. »Ein Radio! Können wir’s anschließen, Dad?«
    »Eigentlich läuft es mit Batterien«, sagte Ernst. »Sie müssen periodisch aufgeladen werden.«
    »›Periodisch‹.« Viv kicherte. »Wie Sie reden! Sie bringen mich wirklich zum Lachen.«
    »Es ist nicht so gut wie mein altes Radio, das sie mir zusammen mit meiner Vogelflinte abgenommen haben«, sagte Fred geringschätzig. »Das ist das Problem mit euch Nazis. Egal, was ihr einem wegnehmt, man bekommt von euch immer was Schlechteres zurück.«
    »Ach, sei nicht so griesgrämig, Fred.« Irma inspizierte das Radio und fand rasch den »Ein«-Schalter. Musik ertönte aus dem Gerät; es klang ein wenig blechern.
    »Musik!«, quietschte Viv. Sie sprang auf und fing an, mit großen, raumgreifenden Schritten im Zimmer herumzutanzen, die Arme um den Körper geschlungen.

    »Das Lied kenne ich«, sagte Irma. »Wie hieß es gleich noch, Fred? War sehr populär, kurz bevor die

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