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Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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hinweg. Ernst zuckte reflexhaft zusammen, ein Überbleibsel aus der Zeit der Luftangriffe. Es war ein Schwarm von Messerschmitt-109-Jägern, die auf der deutschen Seite der Linie patrouillierten. Und dann kam die Antwort von der britischen Seite, das Dröhnen von Spitfires, verstärkt durch Mohawks der amerikanischen Luftwaffe.

IV
    Trotz Vivs gespielter Tapferkeit hatten die Soldaten beim Ersten Ziel und die gelangweilten, ein wenig lüsternen Blicke, die sie ihr zugeworfen hatten, auf sie einschüchternd gewirkt. Sie war auf dem Rückweg zum Hof in gedrückter Stimmung. Ernst, der Claudines Brief in seiner Jacke ans Herz drückte, war mit den Gedanken woanders und hatte wenig zu sagen.
    Vivs Stimmung hob sich jedoch, sobald Ernst und sie wieder daheim waren. Sie hüpfte geradezu den unbefestigten Weg zum Haus entlang. Es war kurz nach sechs, und Bratengeruch erfüllte das Haus. Ernst ging sich waschen, froh darüber, dass er Viv für ein paar Minuten los war. Sein Zimmer mit Blick nach Süden war das beste in dem Bauernhaus; früher war es Freds und Irmas Schlafzimmer gewesen. Während er sich ein frisches Hemd anzog, hörte er Viv munter über ihren Tag plappern – dass sie von einem SS-Offizier chauffiert worden sei und Amerikaner durch den Drahtzaun gesehen habe, wie Affen in einem Zoo. Woanders im Haus übte Alfie gerade Geige. Er spielte »Lili Marleen«. Samstags spielte er immer auf der Straße in Battle oder Hastings und verdiente sich damit ein paar Pfennige von heimwehkranken Soldaten.

    Als Ernst herunterkam, säbelte Fred mit einem Tranchiermesser an dem Lammbraten herum; es war so oft geschärft worden, dass es nur noch ein dünner Stahlstreifen war. Irma stand am Herd und rührte in einem Kochtopf mit Soße. Teller voller Gemüse, Kartoffeln und Kohl standen neben ihr. Sie sah völlig erschöpft aus.
    Ernst zauberte ein weiteres Geschenk hervor: eine Flasche Wein, von Wehrmachtsläden aus Frankreich importiert. »Damit wir auf die Gesundheit des Königs anstoßen können.«
    »Ich hätte lieber ein Bier«, knurrte Fred. Aber seit vielen Monaten gab es nur noch sehr wenig Bier; Albions gesamtes Getreide wurde beschlagnahmt.
    »Und auf dem Tisch liegt ein Geschenk für Sie, Herr Obergefreiter«, sagte Irma über die Schulter hinweg.
    Ernst sah es sich an. Es war ein Buch, ein Taschenbuch, gedruckt auf billigem, schlechtem Papier. Er las den Titel. Pied Piper , von Nevil Shute. »Der Rattenfänger«. 4
    »Es war in unserem letzten Päckchen von der Familie in London«, erklärte Irma. »Die Geschichte eines alten Mannes, der fliehen muss, als die Deutschen in England einmarschieren. Unterwegs rettet er ein paar Kinder. Die Details könnten Ihnen gefallen. Ist auch eine gute Geschichte. Nur eine Kleinigkeit für Sie …«Ihre Hand flog an ihren Mund. »Oh – ich habe
nicht nachgesehen, ob es auf der Liste der verbotenen Bücher steht.«
    »Ich lese es gern«, sagte Ernst schnell. »Vielleicht wird dadurch auch mein Englisch ein bisschen besser.«
    Erleichtert wandte sie sich wieder der Soße zu.
    Ernst setzte sich neben Fred, der den Braten schnitt. Dank Claudines Brief oben in seinem Zimmer war er gut gelaunt, voller Schwung und begierig auf ein wenig Konversation. »Na, Fred, wie geht’s Ihnen heute Abend? Wo ist das neue Radio?«
    Freds Bauernhände waren riesig; das Messer sah in seinen Fingern klein aus, als er das dampfende Fleisch schnitt. »Hab ich Ihnen doch gesagt. Hab’s dem alten Joe ein Stück die Straße runter gegeben, damit er’s auf BBC-Empfang frisieren kann.«
    Ernst machte ts, ts, wie eine Mutter. »Es wird noch konfisziert werden, Sie leichtsinniger Bursche.«
    »Dazu müsstet ihr das verdammte Ding erst mal finden, oder?«
    »Gibt es Neuigkeiten von Jack?«
    Irma drehte sich um, während sie in ihrer Soße rührte. »Alfie und ich sind nach Hastings gefahren. Es heißt, sie wollen weitere Kader entlassen. Veteranen des Weltkriegs 14/18. Postboten. Die Söhne von Ärzten.«
    Fred grunzte. »Die Söhne von Ärzten. Man kennt sich, man hilft sich. So ist das immer in diesem Land, sogar unter den Nazis. Bin selber im letzten Krieg in Gefangenschaft geraten, aber ich würde meine Freiheit wieder aufgeben, wenn ich mit Jack tauschen könnte, und zwar binnen einer Sekunde, das sag ich Ihnen.«

    »Da bin ich sicher«, erwiderte Ernst.
    Fred starrte ihn an. Dann stand er auf und schaute auf das Messer in seiner Hand. »Manchmal glaube ich einfach nicht, was ich so mache. An der Somme

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