Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diktator

Diktator

Titel: Diktator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
Vom Netzwerk:
Deutschen kamen.«
    »The World ist Waiting for the Sunrise«, sagte Fred widerwillig.
    »Gott«, sagte Irma, »wir haben schon seit einer Ewigkeit keine Musik mehr gehört, keine richtige Musik jedenfalls, mal abgesehen von Doreen am Klavier im Gemeindesaal oder dem Soldatenchor mit den Weihnachtsliedern zum Christfest.« Leise sang sie auf Deutsch: »Stille Nacht, heilige Nacht  …«
    Alfie versuchte, den Einstellknopf zu drehen. »Der lässt sich nicht drehen. Er klemmt.« Er sah Ernst an. »Ist es kaputt?«
    »Nein, nein.« Ernst war ein wenig verlegen. »Das soll so sein; der Sender ist fest eingestellt.«
    Die Musik endete, und eine männliche Stimme intonierte mit der gestelzten Affektiertheit der britischen Oberschichten: »Hier ist der Free Albion Broadcasting Service, der zwölf Stunden pro Tag aus dem Informationsministerium in Canterbury zu Ihnen kommt. Und jetzt, genau um acht Uhr dreißig, die Nachrichten …«
    »Freies Albion, du dicke Scheiße«, sagte Fred und lachte. »Ich wette, der alte Joe könnte die Kiste so frisieren, dass man damit die BBC empfangen kann.«
    »Deine Ausdrucksweise«, tadelte Irma automatisch.
    »Das wäre verboten«, sagte Ernst. »Leider.«
    »Das wirst du schön bleiben lassen«, sagte Viv zu ihrem Vater. »Ich hab davon gehört, das Promi-Radio. Eins der Mädchen in der Schule hat es zu Hause.«

    »Das ist Propaganda von Hoare und seiner Kollaborateursbande in Canterbury.«
    »Die bringen da Jazz und Swing aus Amerika, Dad!«
    »Wen interessiert Jazz. Ob ITMA wohl noch auf Sendung ist?« Er warf Ernst einen Blick zu und sagte mit einem komischen deutschen Akzent: »Funf! Funf! Heil Hitler!«
    »Ach, hör schon auf damit, Dad«, sagte Viv. »Dauernd hackst du auf Ernst rum. Du weißt, dass er dich nicht melden wird oder so. Wirklich sehr mutig.«
    »Also.« Ernst schob der Familie das Radiogerät hin. »Das ist mein Geschenk zum King-Edward-Tag. Und ich habe noch eins. Einen Lammbraten. Vielleicht könnten wir ihn heute zum Abendessen zubereiten.«
    »Sabber«, sagte Alfie. »Lamm! Ich weiß nicht mal mehr, wie das schmeckt.«
    Fred schnaubte. »Ihr nehmt mir meine verdammten Schafe weg, und jetzt gebt ihr uns ein bisschen was zurück und erwartet, dass ich dankbar bin. Mir genügt Kaninchen.«
    »Also, jetzt reicht’s aber, Fred«, sagte Irma. »Das ist sehr großzügig von Ihnen, Herr Obergefreiter. Es ist also auch ein Feiertag für Sie?«
    »Ich habe vor, zum Ersten Ziel raufzufahren.«
    Fred grunzte. »Bunker-Fan, was?«
    »Mein Bruder – er ist Standartenführer der SS – hat irgendwelche Angelegenheiten mit der Halifax-Regierung zu regeln. Repatriierung von Kriegsgefangenen und solche Sachen. Ich habe gesagt, ich würde ihn
begleiten; ich würde gern das Land wiedersehen, wo ich gekämpft habe.«
    Viv klatschte in die Hände. »Oh, bitte, darf ich mitkommen?« Sie sah ihre Mutter an. »Ich hab doch schulfrei, oder? Ich könnte mein Deutsch üben.«
    Ihr Vater sagte: »Ich hab’s dir schon mal erzählt, im Lager im letzten Krieg haben wir nur vier verfluchte Wörter Deutsch gebraucht. Kartoffeln . Arbeit . Geld . Verboten .«
    Viv ignorierte ihn. »Es ist so ein herrlicher Tag. Eine Fahrt mit dem Auto! Wann hab ich zum letzten Mal in einem Auto gesessen? Muss vor dem Krieg gewesen sein. Ich könnte ein Picknick machen. Mum …«
    »Nein«, sagte Fred.
    »Mum!«
    Irma sah schrecklich müde aus. »Oh, ich habe keine Lust auf Streitereien. Es ist die Entscheidung des Herrn Obergefreiten.«
    Ernst spürte, dass er keine Wahl hatte. »Natürlich kann sie mitkommen.«
    »Ja!« Viv klatschte erneut in die Hände. »Ich muss mir überlegen, was ich anziehen soll …«Sie lief hinaus.
    »Hören Sie.« Irma holte ihre Geldbörse aus der Tasche eines Mantels, der an der Tür hing. »Nehmen Sie ein bisschen Geld mit.«
    »Nein, das ist wirklich nicht nötig …«
    »Nur für alle Fälle.« Sie drückte Ernst ein Bündel Okkupationsmark in die Hand.
    Alfie lauschte den Nachrichten im Radio. »Dad, was ist ›Operation Barbarossa‹?«

    Fred wusste es nicht, und Ernst musste zugeben, dass er es ebenso wenig wusste. Sie hörten alle aufmerksam zu, und so erfuhren sie aus dem Radio die beinahe unglaubliche Nachricht, dass Hitlerdeutschland trotz eines Nichtangriffspakts am Vortag in die Sowjetunion einmarschiert war.

II
    Als die Hupen ertönten, verließen Ernst und Viv das Haus und eilten den schlammigen Weg zur Straße hinunter. Es war kurz nach zehn.
    Der

Weitere Kostenlose Bücher