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Dimension 12

Dimension 12

Titel: Dimension 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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heute unter vier Augen mit mir zu reden. Und – ach, ich habe Ihnen ja noch so vieles zu erzählen!«
    Ein leichter Schatten huschte über sein Gesicht. Schmerz? Angst? fragte sich Lys. »Nein«, wehrte er hastig ab. »Nicht noch mehr. Nicht im Augenblick. Heute muß ich ausruhen. Möchten Sie nicht ein anderes Mal kommen? Sagen wir Mittwoch?«
    »Aber gern, Mr. Hallinan. Ich will Ihnen ja nicht zur Last fallen.«
    Sie machte kehrt. Unterwegs dachte sie: Wir haben ihn gestern mit unseren Kümmernissen überschwemmt. Er hat sie aufgesaugt wie ein Schwamm und heute muß er sie verdauen – Wie komme ich nur auf diesen Gedanken?
    Sie war am Fuß des Hügels angelangt, wischte sich eine verstohlene Träne aus den Augen und ging raschen Schritts nach Hause. Jetzt erst spürte sie die Kälte des Oktobertages.
    Nach dieser Schablone entwickelte sich das Leben in New Brewster. In den sechs Wochen vor seinem Tod war Mr. Hallinan ein unerläßlicher Bestandteil jeder größeren Gesellschaft. Stets war er vorbildlich gekleidet, immer war sein strahlendes Lächeln präsent. Er hatte eine unheimliche Begabung, alle verborgenen Wünsche und Ängste zu erforschen, die in den Seelen seiner Mitmenschen ein lichtscheues Dasein führten.
    Und regelmäßig war Mr. Hallinan am Tag nach diesen Zusammenkünften unansprechbar und wies jeden Besucher höflich, aber bestimmt ab. Niemand wußte, was er ganz allein in dem Haus auf Malon Hill tat. Die Tage verstrichen, und allen wurde klar, daß sie Mr. Hallinan kaum kannten. Dafür kannte er sie um so besser. Er wußte von jenem Seitensprung vor zwanzig Jahren, den Daisy Moncrieff sich bis heute nicht verzeihen konnte, kannte den stechenden Schmerz, der Dudley Heyer versengte, den kalten Neid, der in Martha Weede glitzerte, die Enttäuschung und Einsamkeit der Lys Erwin, die stille Wut ihres Mannes, der genau wußte, daß seine Frau ihm Hörner aufsetzte – das alles und mehr war ihm bekannt. Aber von ihm wußte keiner mehr als seinen Namen.
    Trotzdem schenkte er ihrem Leben Wärme und nahm ihren Sorgen den Stachel. Wenn er sich über seine Person ausschweigen will, ist das sein gutes Recht, sagten alle.
    Täglich ging er in New Brewster spazieren. Dabei lächelte und winkte er den Kindern zu, die freundlich zurückwinkten. Ab und zu blieb er stehen, um mit einem trotzenden Kind zu plaudern. Dann setzte er seinen Weg fort, groß, aufrecht, energischen Schrittes.
    In den beiden Kirchen New Brewsters ließ er sich niemals blicken. Lora Harker, ein Pfeiler der Presbyterianerkirche von New Brewster, stellte ihn deshalb einmal bei einem Abendessen bei den Weedes zur Rede.
    Aber Mr. Hallinan lächelte sanft und sagte: »Manche Menschen brauchen die Kirche, andere nicht.«
    Damit war das Thema erschöpft.
    Gegen Ende November schlug bei einigen Bewohnern der Stadt die Sympathie für Mr. Hallinan urplötzlich ins Gegenteil um. Vielleicht hatten sie von seinem unermüdlichen Einfühlungsvermögen in ihre Kümmernisse einfach genug. Dudley Heyer, Carl Weede und noch ein paar Männer machten sich zum Wortführer des Stimmungsumschwunges.
    »Langsam wird mir der Bursche verdächtig«, sagte Heyer und klopfte seine Pfeife aus. »Dauernd steht er herum, horcht uns aus und hört sich jeden Klatsch an. Warum, zum Teufel, macht er das?«
    »Vielleicht will er ein Heiliger werden«, bemerkte Carl Weede ruhig. »Selbstverleugnung. Der achtfache Weg der Buddhisten.«
    »Die Frauen schwören auf ihn«, sagte Leslie Erwin. »Seit seiner Ankunft ist Lys nicht mehr dieselbe.«
    »Das unterschreibe ich voll«, sagte Aiken Muir trocken, und alle Männer, selbst Erwin, lachten, weil sie die Anspielung verstanden.
    »Mir langt es jedenfalls, dauernd einen Beichtvater unter uns zu haben«, sagte Heyer. »Sicher steckt irgendein Motiv hinter seiner selbstlosen Güte. Hat er uns erst richtig ausgequetscht, dann wird er uns in einem Roman bloßstellen, daß man mit Fingern auf uns zeigen wird.«
    »Du hast immer alle Leute im Verdacht, daß sie einen Roman schreiben würden«, sagte Muir.
    »Was auch dahinter stecken mag, mir geht er auf die Nerven. Deshalb haben wir ihn auch nicht zu unserer Party am Montag eingeladen.« Angriffslustig sah Heyer Fred Moncrieff an, als erwarte er einen Widerspruch. »Ich habe mit meiner Frau darüber gesprochen, und sie ist meiner Meinung. Dieses eine Mal wird der geliebte Mr. Hallinan zu Hause bleiben.«
    An jenem Montag abend herrschte eine merkwürdige Frostigkeit bei der Party. Bis auf

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