Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dimension 12

Dimension 12

Titel: Dimension 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
sagen. Bitte, Mr. Hallinan.«
    Schweigen.
    Lonny fing eine letzte, nachhaltige Wortlosigkeit auf und wußte, daß er den ersten Menschen gefunden und verloren hatte, der genau so war wie er selbst. Mr. Hallinan schloß die Augen und fiel der Länge nach aufs Pflaster. Lonny begriff, daß es aus mit ihm war. Er und die Einwohner New Brewsters würden nie wieder mit Mr. Hallinan sprechen. Aber um ganz sicherzugehen, bückte er sich und griff nach Mr. Hallinans schlaffem Handgelenk.
    Rasch ließ er es los. Das Gelenk fühlte sich an wie Eis – versengend kalt. Lonny starrte den Toten an.
    »Aber das ist doch Mr. Hallinan«, sagte eine weibliche Stimme. »Ist er…?«
    Da kehrte die große Einsamkeit zurück, und Lonny begann wieder leise zu weinen.

Am Seewall
    Micah-IV hatte das Pech, am Tage des ersten Selbstmordes am Seewall Dienst zu haben. Natürlich traf ihn keine Schuld, aber trotzdem erhielt er eine Rüge. Woher hätte er es denn wissen sollen? Man konnte wirklich nicht von ihm verlangen, daß er begriff, was in den Köpfen der Menschen vorging!
    Sein Revier am Seewall war genau tausend Meter lang. Es war in der Generalkarte als abgezirkeltes blaues Rechteck eingezeichnet, das die Bezeichnung Zone KF-6 trug. Da die Gesamtlänge des Walls sechstausend Kilometer betrug, wußte Micah-IV, daß er genau für ein Sechstausendstel des Walles verantwortlich war. Das war eine schwere Last, denn hing nicht die Sicherheit der Menschheit vom Wall ab? Jawohl! Aber Micah-IV war wachsam. Zwölf Stunden täglich schritt er unermüdlich sein Revier ab. Er tat sein möglichstes; aber allwissend war er nicht.
    Die Mauer war fast durchgehend sechzig Meter hoch. Ihre Grundfesten waren zwanzig Meter breit, verjüngten sich aber nach oben bis auf eine Breite von sechs Metern. Sie bestand aus graugrünen Steinblöcken, die bis zum letzten Millimeter poliert waren und ohne jeden Mörtel genau aufeinander paßten. Die Steine stammten aus den Kernkraftöfen von Wyoming und waren quer über den ganzen Kontinent zur Küste geschafft worden. Trotz mechanischer Hilfsmittel hatten beinahe zwei Generationen an der Errichtung des Walles gearbeitet. Er war das gigantische Gemeinschaftswerk der Menschheit. Vor seiner Größe verblaßten alle anderen Bauwerke. Neben ihm war die große Pyramide nichts weiter als ein Haufen Kieselsteine und die chinesische Mauer ein Bächlein Sand.
    Hinter dem Seewall lag der unendliche Ozean mit seinen drohenden Ungeheuern.
    Auf seiner Patrouille von einem Ende der Zone FK-6 zum anderen sah Micah-IV ab und zu die Bestien, die sich im Wasser drehten und wanden. Manchmal schwamm eines der Ungeheuer neugierig ans Ufer und suchte ein schwaches Glied in dem Bollwerk der Menschheit. Natürlich vergebens. Einen Kilometer vor der Küste wurden die Untiere von einer Giftzone abgewehrt. Das Gift sprudelte Tag und Nacht aus dem Seewall. Passierten die Ungeheuer die gelb verfärbte Giftzone, so sahen sie sich einem fünfzig Meter breiten Stromgürtel gegenüber, der bei Berührung durch ein entsprechend schweres Lebewesen augenblicklich Tausende von Kilowatt abgab. Hinter diesem Stromgürtel lag der Seewall. Seine Oberfläche schimmerte wie Bronze und war glatt wie das feinste Glas.
    Kein Ungeheuer konnte diesen Wall erklimmen.
    In den achtzig Jahren seit Fertigstellung des Walles hatte auch kein Tier es getan.
    Allerdings hatten es mehrere versucht, nur war Micah-IV nie dabei gewesen. Vor rund vierzig Jahren hatte sich in der Zone CJ-o ein schuppiges Ungetüm mit rot glühenden Augen und einem fürchterlichen Schwanz durch die Giftzone geschoben, hatte dem Strom widerstanden und war in blinder Wut gegen den Wall gerannt. Dreißig Tonnen aufgebrachter Masse warfen sich gegen die Steinquadern, aber der Wall hatte nicht einmal gebebt. Das Ungeheuer stemmte sich auf seinen mächtigen Keulen hoch, so daß sein Maul zwanzig Meter über dem Boden schwebte. Mit rauher Zunge leckte es an dem glasierten Stein und versuchte, an der Mauer hochzuklettern.
    Aber das Ungeheuer fand nirgends Halt. Immer wieder glitt es ab. Endlich fiel es auf die steinige Küste vor dem Wall und blieb erschöpft dort liegen. Sein dröhnendes Keuchen war meilenweit zu hören. Dann stellte es sich nochmals auf und schlug mit dem Schädel tagelang stumpfsinnig gegen die Grundfesten des Walles; bis sein Blut die grau-grünen Quadern rot gefärbt hatte und die Aasvögel den verfaulenden Kadaver des Ungeheuers zerrissen.
    Zwanzig Jahre später ereignete sich in

Weitere Kostenlose Bücher