Dimension 12
zugeteilten Sektors des Walles, als ihm ein schriller Summton verriet, daß Neugierige die Besuchergalerie im nördlichen Teil der Zone betreten hatten. Micah-IV setzte seine Streife bis ans Ende seines Sektors fort. Die Touristen mußten bis zu seiner Rückkehr auf der Besuchergalerie bleiben, weil nur der diensthabende Aufseher den Glaskiosk Öffnen konnte. Sie mußten sich also gedulden, bis er seine Patrouille beendet hatte.
Er gelangte ans Ende seines Sektors und signalisierte: Alles o. k. Dann machte er kehrt und wandte sich gemessenen Schritts wieder nach Norden.
Er war noch fünfhundert Meter von der Besuchergalerie entfernt, als er sah, daß die Tür geöffnet wurde.
Ein Mann trat heraus. Er war elegant und stattlich, trug ein graues Oberkleid und ein dunkelblaues Stirnband. Vor Micah-IV’s erstaunten Blicken marschierte der Mann zum Schutzgitter und kletterte daran hoch.
»Stehenbleiben!« rief Micah-IV.
Er verstand nicht, wie es einem Unbefugten gelungen war, die Tür der Besuchergalerie zu öffnen. Jedenfalls hatte ein unbeaufsichtigter Mensch nichts auf dem Wall zu suchen. Und es war ihm völlig schleierhaft, warum der Mann diese gefährliche Kletterei auf dem Schutzgitter unternahm.
Er lief mit Höchstgeschwindigkeit.
Aber er kam zu spät.
Micah-IV war noch hundert Meter entfernt, als der Mann den oberen Rand des Schutzgitters erreichte. Einen Augenblick hielt er balancierend an. Dann schnellte er sich in die Luft.
»Nein!« rief Micah-IV. »Das ist verboten!«
Das war Selbstmord, also vorsätzliche Selbstvernichtung. Der fassungslose Syntheser rannte ans Gitter, sah, wie der Mann einen Fallschirm entfaltete und sanft zum Sockel des Seewalles glitt. Was hatte er vor? Wozu brauchte er den Fallschirm, wenn er sich töten wollte?
»Komm zurück!« brüllte Micah-IV und machte sich fertig, über die Mauer zu springen und den Mann zurückzuholen, auch wenn es unten von Ungeheuern wimmelte.
Der Mann kletterte über den felsigen Strand. Im nächsten Moment watete er hüfttief im Meer, schob das dichte Gewirr der Schlingpflanzen beiseite, legte sich bäuchlings aufs Wasser, bewegte die Arme und schraubte sich rasch vom Festland fort. Micah-IV machte gar nicht erst den Versuch, ihm zu folgen. Mit einer doppelten Zerstörung war niemandem gedient.
In blankem Unglauben sah er den Mann rasch hinaus ins Meer schwimmen. Der Stromgürtel konnte ihm nichts anhaben, da ein einzelner Mensch nicht schwer genug war, um die Entladung auszulösen. Die Giftzone stellte ebenfalls keine Gefahr für den menschlichen Stoffwechsel dar. Dann aber hatte er den äußeren Rand der Giftzone hinter sich und schwamm in der offenen, unbewachten See.
Grelle Schuppen zuckten auf – schwertähnliche Zähne schimmerten – Wasser sprühte…
Dann war draußen alles still.
Zitternd und von Schocksekreten überschwemmt, wandte Micah-IV sich ab. Auf der Besuchergalerie standen die restlichen fünf Touristen in der offenen Tür.
»Wer war der Mann?« fragte Micah-IV streng. »Wie konnte er auf die Meeresmauer gelangen? Warum hat er sich getötet?«
Niemand antwortete ihm. Sie machten einen merkwürdig ungerührten Eindruck. Zwei von ihnen baten Micah-IV um eine Führung. Ärgerlich antwortete er, daß heute keine Führungen mehr stattfänden und befahl ihnen, die Besuchergalerie zu räumen.
Endlich hatte er seine heißersehnte Aufregung. Aber er fand sie weniger vergnüglich, als er erwartet hatte.
Er erstattete Meldung. Kurz darauf wimmelte es in seinem Sektor von Beamten. Micah-IV mußte seine Darstellung unermüdlich wiederholen. Fachleute untersuchten die Tür der Besuchergalerie und wiesen nach, daß sie auf die übliche Weise geöffnet worden war, nämlich mit Daumensignalen. Der Selbstmörder mußte sich diese Kenntnisse also verschafft haben.
Micah-IV erhielt einen Verweis, weil er den Selbstmord nicht vereitelt hatte. Es war sinnlos, ihnen zu beteuern, daß ihn keine Schuld traf. Einer mußte der Schuldige sein und wer anders als der Aufseher des Sektors? Menschen durften sich nicht ohne Aufseher auf dem Seewall bewegen, also mußte Micah-IV fahrlässig gehandelt haben.
Er selbst war allerdings nach wie vor von seiner Unschuld überzeugt. Er konnte nicht überall gleichzeitig sein. Und er konnte auch nicht in Sekundenschnelle tausend Meter laufen. Wie sollte ein Aufseher denn eingreifen, wenn ein Mann entschlossen war, Selbstmord zu begehen und sich illegal den Signalcode angeeignet hatte, damit er auf den Seewall
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