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Dimension 12

Dimension 12

Titel: Dimension 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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menschliche Tat tun, beschloß Micah-IV. Vielleicht begreife ich dann, wie es ist, ein Mensch zu sein. Jedenfalls kann mich dafür niemand tadeln.
    Er wandte sich dem Meer zu und sprang ins Nichts. Im Sturz drehte er sich um und sah die gebrannten grau-grünen Blöcke des Seewalls hinter sich. Er schlug steil aufs Wasser auf und tauchte unter. Der Aufprall raubte ihm die Luft. Dann trieb er schaukelnd an die Oberfläche.
    Geschmeidig, rasch und neugierig schwamm Micah-IV hinaus zu den wartenden Ungeheuern.

Der dunkle Begleiter
    Langsam erwachte Rocklin aus seiner Bewußtlosigkeit, Die Narkosenebel zerrissen. Mühsam nahm er seine Umwelt zur Kenntnis. Über ihm eine weiße Decke. Er begriff, daß er bewegungsunfähig in einer Thermalnährlösung lag. Die warme Flüssigkeit umspülte ihn.
    Diese Schweine, dachte er. Nicht mal einen sauberen Selbstmord gestatten sie.
    Seine Gliedmaßen gehorchten ihm noch nicht. Er versuchte, die Hände zu bewegen und festzustellen, ob er noch alle Finger hatte. Und alle Zehen. Wenn sie ihn schon zum Leben zwangen, dann sollten sie ihn zumindest auch anständig zusammenflicken. Aber das hatten sie wohl auch getan. Die Chirurgen waren bestimmt sehr gründlich gewesen. Seine Eltern hatten genügend Geld, um jedes seiner fehlenden Glieder durch ein neues ersetzen zu lassen.
    Rocklin rollte mit den Augen, aber er sah rundum nur die weiße Decke. Er steckte bis zum Hals in der Nährlösung und war festgeschnallt. Er wollte den Kopf bewegen, aber es gelang ihm nicht. Mutlos geworden, schloß er die Augen. Da er nun wach war, riefen die Servoanlasser sicher bald die Ärzte herbei. Gleich würde er ihr Gemurmel hören.
    Heutzutage wurde es immer schwieriger, sich das Leben zu nehmen.
    Rocklin hatte es im letzten halben Jahr dreimal versucht. Er hatte auf Barbados auf einer Farm seiner Eltern gelebt. Angeblich hatte er dort die Planktonernte überwacht. Praktisch aber bestand seine ganze Arbeit darin, allwöchentlich die Lohnschecks zu unterschreiben. Die Aufsicht besorgte ein Vorabeiter. Rocklin hatte fünf Wochen auf der Farm verbracht. Dann hielt er es nicht länger aus. An einem warmen Januarmorgen hatte er das Düsenflugzeug nach Juneau bestiegen, weil das die nördlichste Stadt war, zu der es eine Direktverbindung gab. Die widerliche Wärme der karibischen See im Januar erinnerte ihn unangenehm an die Wärme anderer Meere auf anderen Planeten, und sobald er zu grübeln begann, wurde sein Todesverlangen übermächtig.
    Er flog nach Juneau. Als er die Maschine verließ, betrug die Temperatur zwanzig Grad minus – ein milder Wintertag. Er hatte kein Gepäck und war nur mit einem Sommeranzug bekleidet.
    Auf dem Flughafen gab es eine Bar. Dort trank er eine Stunde lang. Selbst bei den Preisen von Juneau reichten zehn Dollar für eine ganze Menge Martinis, die er in einer einzigen Stunde trank. Vom Alkohol erhitzt, wanderte er in die trübe Dunkelheit des Wintertags. Weiße, saubere Schneeflocken fielen vom Himmel. Rocklin wanderte eine halbe Stunde im Schneegestöber. Die Flocken froren an seinem Haar und den Augenbrauen fest. Schließlich wurde er müde und nüchterner. Er legte sich in einen Schneehaufen, der so kalt war, daß ihm die Wärme in die Haut schoß. Er schloß die Augen und lächelte, als die sanften Schneeflocken ihn allmählich zudeckten. Diesmal fand ihn bestimmt niemand, dachte er. Er wollte rasten und später schlafen und nie mehr aus diesem Schlaf erwachen. Und seine Gewissensbisse würden für immer verstummen. Keine Träume mehr. Kein Alpdrücken.
    Kein Leon Rocklin mehr.
    Sein Bewußtsein schwand…
    Und kehrte wieder.
    Die Ärzte scharten sich um ihn. Rocklin konnte sie zwar nicht sehen, aber er fühlte ihre Gegenwart. Jetzt standen sie am Fußende seines Tanks und lasen die Skalen der Meßgeräte ab, die seine Lebensfunktionen registrierten.
    »Lockern Sie die Streckriemen«, murmelte jemand. »Da er bei Bewußtsein ist, müssen wir ihn nicht so einengen.«
    Rocklin ließ die Augen geschlossen. Die Kurven des EEG verrieten ihnen von selbst, daß er wach war. Er hörte sie an dem Gestänge hantieren, das ihn unbeweglich in der Nährlösung festhielt. Die weichen Rollen, die seinen Körper umklammert hielten und ihn massierten und bewegten, rückten nun von ihm ab. Der Hals des Tanks öffnete sich ein Stück. Zwar konnte er sich noch immer nicht ungehindert bewegen – dazu war der Tank zu eng –, aber zumindest vermochte er jetzt den Kopf weit genug zu drehen, um zu

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