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Diner des Grauens

Diner des Grauens

Titel: Diner des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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Glückliche Gesicht. Und das da drüben ist der Große Wagen.«
    »Es gibt schon einen Großen Wagen.«
    »Ich habe nicht behauptet, dass ich es besonders gut kann.«
    Sie kicherten und rückten näher aneinander. Sie drehte sich auf die Seite und legte eine Hand auf seine Brust. Er streichelte ihr Haar. Die ektoplasmischen Strähnen glitten durch seine Finger, leicht wie Spinnweben. Er erkannte plötzlich, wie sterblich er war.
    Vampire betrachteten sich selbst gern als ewig. Aber letztlich wurde auch ihr Leben in Momenten gemessen. Genau wie bei den Lebenden. Natürlich waren da viel mehr Momente, aber Quantität wurde ohnehin allgemein übe r bewertet. Er hätte die letzten paarundneunzig Jahre seines Lebens eingetauscht, um diesen speziellen Moment nur ein bisschen länger dauern zu lassen. Aber die Zeit wartete auf niemanden, sterblich oder unsterblich. Er versuchte, nicht daran zu denken und es einfach zu genießen, solange es dauerte.
    »Earl?«
    »Ja?«
    »Können Vampire Geister beißen?«
    »Klar. Ich habe das selber noch nie gemacht, aber ich hab gehört, es sei ziemlich so wie Wackelpudding runte r zusaugen.«
    »Was können Vampire und Geister noch machen?«
    »Naja, Ektoplasma ist für die Untoten so ziemlich da s selbe wie Fleisch und Blut.«
    »Wie sehr dasselbe?«
    »Genauso. Bei allem, was wichtig ist.«
    »Alles, was wichtig ist?«
    »Ja, klar. Warum?«
    Sie nahm seine Hand und führte sie an ihre Taille.
    Für ihn kam es völlig überraschend. Sie war so hübsch und so wundervoll, er konnte sich nicht vorstellen, warum sie ihre Zeit mit ihm verschwenden sollte. Aber sie hatte natürlich auch keine große Wahl. Romantische Gelegenhe i ten waren für einen Friedhofswächter allenfalls begrenzt.
    Sie glitt auf ihn. Er verlor seine Gedanken in ihren glimme n den Augen. Sie küsste ihn. Er fingerte instinktiv nach ihrem BH, nur um festzustellen, dass sie keinen trug. Und sonst übrigens auch keine Kleidung. Seine Hände wanderten ihren Rücken entlang. Ihre ektoplasmische Haut war so glatt und weich. Er konnte sich nichts Vollkomm e neres als den Fleck am unteren Ende ihres Rückens vorste l len, wo seine Finger zum Stillstand kamen.
    Er knöpfte seinen Overall auf.
    Und stellte sich vor, wie er wohl auf einen zufälligen Be o bachter wirken mochte. Ein nackter Mann, der sich krümmte und mit seiner imaginären Geliebten im Dreck herumrollte. Ihre Haare strichen über seinen Hals, als sie seine Brust küsste. Er beschloss, dass es ihm egal war.
    Eine zynische, kleine Stimme flüsterte: »Es geht nicht um dich. Sie hätte nach all diesen einsamen Jahren jeden gemocht.« Aber es war eine leise Stimme, leicht genug, sie für den M o ment wegzuschieben.
    Ein weiterer Augenblick, der nicht annähernd lange g e nug dauerte.
    *
    Nackt lag Earl auf der Erde und sah Cathy beim Atmen zu.
    Geister sollten eigentlich nicht atmen, aber sie tat es trotzdem. Sie kuschelte sich enger an ihn und er konnte ganz en t fernt ihren Herzschlag spüren. Es war nur eine erstaunliche Simulation, aber er bewunderte, wie viel Menschlichkeit sie immer noch an sich hatte, nach all diesen Jahren Totsein. Er hatte zwar immer sein Bestes getan, Geistern aus dem Weg zu gehen, doch hatte er mehr als genug Gelegenheit gehabt, um festzustellen, wie selten das war.
    Sie bemerkte seinen Blick. »Was?«
    »Nichts.«
    »Was denkst du gerade?«
    »Nichts.«
    Lächelnd küsste sie ihn. »Das war schön. Danke.«
    Er rutschte hin und her, um die spitzen Kiesel unter se i nem Rückgrat in eine weniger unbequeme Position zu bringen, ohne aufstehen zu müssen.
    »Nur schön?«
    Ein weiterer negativer Aspekt des Vampirdaseins waren die Erwartungen, die von verantwortungslosen Medien geschaffen wurden. Wenn es ums Lieben ging, waren die Erwartungen an die Untoten größer. Erwartungen, denen er nicht annähernd gerecht wurde.
    »Sehr schön«, antwortete sie. »Du warst toll.«
    Er errötete zum ersten Mal in zwei Jahrzehnten.
    »Es ist natürlich schon eine Weile her«, fügte Cathy hinzu. »Ich bin inzwischen ziemlich anspruchslos.«
    Sie lachten.
    »Wie spät ist es?«
    Earl sah auf die Uhr. »Zwanzig Uhr fünfzehn.«
    »Dann machen wir uns besser bereit.«
    »Ja. Sollten wir.«
    Keiner von beiden bewegte sich. Minuten vergingen in z u friedenem Schweigen.
    Schließlich, fünf Minuten bevor der Zauber ausgeführt werden sollte, glitt Cathy von ihm und stand auf. Geiste r hafte Kleidung materialisierte wieder auf ihrem Körper. Earl musste sich auf

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