Diner des Grauens
die übliche Art anziehen.
»Also, soll ich im Kreis stehen?«, fragte sie.
»Du wirst eigentlich gar nichts tun. Dein Grab ist die Quelle der Bindung. Genau genommen werde ich die Magie darauf anwenden.«
Er schlüpfte in seine Hose. Er hielt sich nicht mit U n terw ä sche oder Schuhen auf. Zum Teil, weil er nicht genug Zeit hatte, und auch, weil er vorbereitet sein wollte, wenn Cathy nach dem Ritual Lust hatte, es noch einmal zu machen.
»Okay. Dann gehe ich vielleicht besser aus dem Weg, bis du fertig bist.«
Er nahm sie schnell in die Arme. »Du bist nie im Weg.«
»Weißt du, Earl, bei dir kann ein Mädchen schon fast froh sein, dass sie tot ist.«
»Fast?«
Sie zuckte die Achseln. »Bring mich von diesem Frie d hof runter und wir werden sehen.«
»Abgemacht.«
Er kniete sich vor den Runenkreis. Zuerst verbrannte er die Tollkirsche. Dann begann er mit der Beschwörung, einer langen Abfolge von Kauderwelsch, die er phonetisch hatte aufschre i ben müssen. Als die Zeit kam, streute er das getrocknete R a benauge in den Wind und intonierte einen weiteren Abschnitt Gequassel. Und so ging es weiter und weiter, ungefähr zehn Minuten lang. Er beschwor und benutzte etwas aus der Tüte und beschwor noch etwas mehr und benutzte etwas anderes aus der Tüte. Sehr ei n fach. Sehr überflüssig. Sehr langweilig.
Der größte Teil der Magie, vor allem der rituellen Art von Magie, war eben so. Eigentlich ähnelte es klerikaler Arbeit. Man konnte sie ab und zu mit ein paar Mensche n opfern oder vielleicht mit einer Orgie würzen, aber mei s tens galt: Wenn es Spaß machte, war es eigentlich nicht wirklich notwendig. Die meisten Kultanhänger fügten ihrer Magie überflüssige Elemente hinzu, einfach, um sie etwas aufzupeppen und das Ganze inte r essanter zu gestalten. Außerdem war es hilfreich, die Trottel zu unterhalten, die zum Bestehen eines Kultes erst beitrugen. Er hatte an nichts davon Interesse. Das hier war einfach nur das Grundgerüst eines Zaubers, und als er sich seiner Volle n dung näherte, fingen Earls Gedanken an zu wandern.
Er war nicht sehr romantisch, aber er hatte den Abend schon in allen Einzelheiten geplant. Er würde das Ritual vollenden, Cathy würde sich Hals über Kopf in ihn verli e ben und er würde sie vom Friedhof tragen. Wie eine tolle, schneidige Figur aus einer typischen Liebesgeschichte. Es war ihm immer schmalzig und ein bisschen unrealistisch vorgekommen. Niemand lebte glücklich bis an sein L e bensende, selbst Leute nicht, die ewig lebten. Aber er war bereit, so zu tun, als könnten sie das.
Er zeichnete ein Dreieck in einem Kreis in den Schmutz, hob die Arme und stürzte sich in die finale Beschwörung. Diese hier war zumindest auf Englisch.
»O Könige der Erde, Herren des Geisterreichs, ich rufe euch, erhört meine Bitte. Entlasst diese Seele aus eurer liebenden Umarmung, dass sie frei die Erde durchstreifen möge.«
Ein grünes Leuchten stieg von dem Kreis aus Salz auf und die Erde unter ihm rumpelte ziemlich. Er warf Cathy ein kurzes Lächeln zu und hob einen Daumen.
»Die vor ihr waren sind gegangen und müssen nicht lä n ger behütet werden. Ihre Aufgabe ist erfüllt . Nun bitte ich euch demütig, sie von ihren heiligen Pflichten zu entbi n den.«
Er streckte die Hand aus, um den Salzkreis als letzten mag i schen Akt zu unterbrechen.
»Earl, soll das so sein?«
Cathy verblasste, und er hatte den Zauber noch nicht einmal vollendet. Und sie hatte Recht. Es sollte nicht so sein. Er vergaß das Ritual und rannte zu ihr hinüber. Er versuchte, ihre Hände zu greifen, aber irgendetwas stimmte nicht. Sie ließ sich nicht mehr berühren. Er fasste durch sie hindurch, als bestünde ihr Körper aus dickflüssigem Mot o röl.
Sie las die Besorgnis auf seinem Gesicht. »Was ist los? Was passiert mit mir?«
Sie verblasste, glitt ihm durch die Finger. Er wusste nicht, was er tun konnte, um es zu stoppen.
»Geh nicht«, flehte er, sich vollkommen bewusst, dass sie nichts dagegen ausrichten konnte.
Cathy löste sich in eine kaum noch sichtbare Wolke auf und dann in nichts.
»Verdammte Scheiße!«
Er blätterte in seinem Notizblock herum, umrundete den Kreis und fluchte ein paar Minuten lang. Die Notizen las er nicht einmal, sondern überflog sie nur, als könnten sie ihm die Antwort plötzlich enthüllen. Sie taten es nicht.
Ein Windstoß fegte über den Friedhof. Die Kerzen erl o schen und das Salz flog davon. Der Staub verschluckte die Runen.
»Verfluchtes
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