Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
Schuldgefühle verleiht mit dicken Romanen, einem Stapel DVDs oder mit gar nichts verbrachten Tagen schließlich erst die richtige Würze.
«Prokrastination war immer gut zu mir. Mit dem Studium fing es an, denn kaum hörte man auf, mich wie zu Schulzeiten in enge, tägliche Hausaufgabendeadlines einzusperren, lag ich nur noch herum und las Krimis. Das brachte mir einen schönen Job in einer Krimibuchhandlung ein. Mein Freund P., den sein Studium so sehr langweilte, dass er überhaupt nicht mehr hinging, saß zu Hause herum und guckte Glücksrad, und weil man nicht den ganzen Tag Glücksrad gucken kann, programmierte er nebenher eine eigene Glücksrad-Version. Schon bald wurde er in einem Multimediaunternehmen angestellt und hängte sein Studium an den Haken, heute hat er seine eigene Softwareagentur. Ich prokrastinierte in der Krimibuchhandlung weiter, indem ich der Buchhandlung eine Website baute, was wiederum Aufträge von Verlagen nach sich zog, die ins Internet wollten. An die Uni ging ich jetzt noch seltener als früher, ich hatte auch kaum Zeit dazu, denn weil ich auch gut im Glücksradguckengewesen war, saugte die Multimediabranche mich gleich mit auf. Während ich mich um die Krimibuchhandlung, die Verlage, die Multimedia-Handlangerdienste und mein Studium hätte kümmern sollen, verbrachte ich viel Zeit in einem S M-Chat . Daraus entstand ein Sachbuch über SM, und weil ich eigentlich das Buch hätte schreiben sollen, gelang es mir, mein Studium abzuschließen. Als das erledigt war, gründete ich mit Freunden zusammen eine Firma, die Zentrale Intelligenz Agentur. Es mussten dringend neue, firmenfremde Ausweichtätigkeiten her, deshalb nahm ich nebenher einige neue Jobs an und trieb ich mich viel im Internetforum hoefliche-paparazzi. de herum, einem Tempel der Zeitverschwendung. Dort lernte ich unter anderem Aleks Scholz und Sascha Lobo kennen, mit denen ich später Bücher schrieb, um mich so vor anderen Tätigkeiten zu drücken. Das alles führte dazu, dass ich indirekt für jahrelanges Herumhängen in Internetforen viel Geld ausgehändigt bekam. Das Einzige, was sich merkwürdigerweise nie für mich ausgezahlt hat, war eine ausgedehnte Tetrisspielperiode in meiner Zeit als studentische Hilfskraft. Aber das kann ja noch kommen.»
(Kathrin Passig)
6 Empfehlungen für professionelles Prokrastinieren
Prokrastination rechtzeitig üben. Wenn dann eine Le bensaufgabe auftaucht, die bei den meisten Menschen mittelschwere bis dramatische Arbeitsstörungen verursacht, ist man gut vorbereitet. Im Fachbuch «Procrastination and Task Avoidance» heißt es dazu: «Dissertationsprokrastination kommt anders als andere Formen der Prokrastination tatsächlich häufiger bei gewissenhaften Studenten vor. (…) Die Arbeitsstörungen, die beider Dissertationsprokrastination auftreten, sind für die Betroffenen gewöhnlich sehr verstörend, weil ihnen die umfangreiche Erfahrung mit unvollendeter Arbeit fehlt, über die der typische Prokrastinierer verfügt. (…) Die Unfähigkeit, eine Aufgabe zu Ende zu bringen, ist sehr beängstigend und bedeutet Kontrollverlust. Genau das macht das Verhalten für diese Prokrastinierenden so beunruhigend. Überraschend viele bis dato sehr erfolgreiche Doktoranden suchen wegen ihrer Dissertationsprokrastination therapeutische Hilfe.» Ein Beispiel aus der Praxis:
«Im Studium lief eigentlich alles super, ich habe ein sehr gutes Vordiplom gemacht, ein fast genauso gutes Diplom, ich habe zwischendurch die Statistik-Hausaufgaben fürs halbe Semester gemacht. Aber mit dem Ende der Diplomarbeit kam die Arbeitsblockade. Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, um mit der Doktorarbeit anzufangen, und anfangen heißt in dem Zusammenhang, den Arbeitsplatz überhaupt einzurichten. Klugerweise hatte ich mir für die Doktorarbeit ein Thema ausgewählt, das von anderen Leuten als vollkommen undurchführbar bezeichnet wurde. Ein Jahr lang habe ich vielleicht einen Tag in der Woche tatsächlich was dafür getan und mich ansonsten vor der Arbeit gedrückt. In der Zeit habe ich mir Programmieren beigebracht, einen IR C-Client programmiert, mir das Webseitenmachen beigebracht, diverse Web-Projekte gestemmt und Perl gelernt und damit ein kleines Content-Management-System geschrieben. Dann war die Zeit vorbei, und meine Förderung war ausgelaufen. Und irgendwann bin ich dann einfach gegangen und habe die Tür zugemacht.» . (Johannes Jander)
Ausschlafen. Unangenehm viele Produktivitätsratgeber empfehlen, früh
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