Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
aufzustehen oder sich im Extremfallmit «polyphasischem Schlafen» zu befassen, einer Technik, die die Gesamtschlafzeit auf zwei Stunden reduzieren kann. Eigentlich sollte als Gegenargument genügen, dass es sehr schön ist, im Bett herumzuliegen, und noch viel schöner, lange dort liegen zu bleiben. Aber für Menschen, denen Produktivität wichtiger ist als Wohlergehen, sei auf ein Ergebnis der Schlafforschung hingewiesen: Ausgeschlafene Versuchspersonen, die man vor ein Problem stellt, kommen eher auf die schnelle, einfache Lösung, während unausgeschlafene sich in mühsame Lösungswege verbeißen. Am Schlaf sparen heißt daher am falschen Ende sparen.
Sich nicht zu wenig vornehmen. Wenn ein Prokrasti nierer zehn Aufgaben vor sich hat, wird er vielleicht ein bis zwei davon erledigen (dafür aber zwölf andere). Gibt man ihm einzig und allein einen Bleistift zu spitzen, bleibt der Bleistift auf ewig ungespitzt. Für dieses Phänomen gibt es eine verhaltensökonomische Erklärung: Wer gleichzeitig an mehreren voneinander unabhängigen Projekten arbeitet und eine Aufgabe heute nicht erledigt, muss diese Aufgabe später auf Kosten der anderen Projekte erledigen. Wer prokrastiniert, tut das, weil die Kosten des Aufschiebens für ihn gering sind. Für Vielbeschäftigte bringt aber auch das Aufschieben höhere Kosten mit sich. Der Autor und Astrophysiker Aleks Scholz berichtet: «Seltsamerweise habe ich in der Zeit, in der ich am ‹Lexikon des Unwissens› geschrieben habe, nicht weniger Astronomie, sondern mehr gemacht. Arbeit ist irgendwie magnetisch. Fängt man einmal damit an, kann man nicht mehr aufhören.»
Alles gleichzeitig anpacken. Selbst zurechnungsfähige Selbsthilfebuchautoren raten dazu, sich immer nur auf eine einzige Aufgabe zu konzentrieren. Eine Begründungdafür lautet, dass die «Einrichtungskosten» einer bestimmten Tätigkeit, also die Zeit, die man mit Vorbereitung und Einstieg zubringt, konstant sind und bei jedem Wechsel der Beschäftigung neu anfallen. Aber führt diese Überlegung etwa dazu, dass man bei Tisch zuerst den ganzen Reis, dann das ganze Gemüse und dann das Fleisch isst? Springt man im Schwimmbad erst eine Stunde vom Sprungbrett und isst dann eine Stunde lang Eis? Robert Levine erklärt in «Eine Landkarte der Zeit», dass Monotasking eine spezifische Angewohnheit in «Uhrzeitkulturen» – also den meisten westlichen Ländern – ist. In «Ereigniszeitkulturen» dagegen ziehen die meisten Menschen eine polychrone Planung vor, tun also gern viele Dinge gleichzeitig: «In der polychronen Zeit widmet man sich einem Projekt, bis eine Neigung oder Anregung auftaucht, sich einem anderen zuzuwenden, das wiederum zu einer Idee für ein weiteres führen kann. Dann kehrt man vielleicht zum ersten zurück, mit eingeschobenen und unvorhersagbaren Pausen und Wiederaufnahmen der einen oder anderen Aufgabe. In der P-Zeit machen alle Aufgaben jeweils nur kleine Fortschritte.» Levine rät zum flexiblen Wechsel zwischen polychroner und monochroner Zeit.
Kompromisshalber kann man wenigstens innerhalb einer Aufgabe herumhüpfen – beim Schreiben heißt diese Technik «The Fieldstone Method» und wird von Gerald M. Weinberg im gleichnamigen Buch näher beschrieben. Wenn es an einer Stelle klemmt, geht es dafür an einer anderen voran. Weinberg, Autor zahlreicher Sachbücher, erklärt dazu: «Persönlich weiß ich so gut wie gar nichts darüber, wie man einen Text nach dem anderen schreibt (…) Betrachten wir einmal die Texte, an denen ich gerade arbeite – mein ‹work in progress›-Verzeichnis.Zählt man das vorliegende Manuskript mit, liegen hier über dreißig Bücher in verschiedenen Stadien der Fertigstellung oder Unfertigkeit herum. Ich habe 36 unvollendete Artikel für meine monatliche Kolumne und 27 für andere Medien oder unbestimmte Zwecke. Dazu kommt ein unüberschaubares Sammelsurium von kleinen Einzelteilen ohne bestimmten Anlass. Vielleicht finde ich eines Tages Verwendung dafür. Vielleicht auch nicht.»
Arbeit liegenlassen. Noch einmal Aleks Scholz: «Ich habe so einige Leichen im Keller, halbfertige wissenschaftliche Publikationen, über die ich seit Jahren mit schlechtem Gewissen nachdenke. Bei Gesprächen mit Kollegen habe ich gemerkt, dass ausnahmslos jeder solche Arbeiten herumliegen hat. Dann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass diese im Keller vergrabenen Leichen womöglich die eigentliche Triebfeder für alles waren, was ich seitdem erledigt und veröffentlicht
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