Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
bezahlten Teilzeitkräften ausüben lassen wird, um sie vor dem Aussterben zu bewahren.
Wird eine bestimmte Tätigkeit als Zeitverschwendung kritisiert, heißt das näher betrachtet nur, dass sie gegenwärtig am eigenen Wohnort wenig soziale Anerkennung genießt. Deshalb ist solche Kritik ein gutes Indiz dafür, dass man sich dieser Beschäftigung wirklich aus Begeisterung widmet. Denn der Mensch ist ein leicht zu beeinflussendes Tierchen und tut vieles auch einfach nur, weil die Gesellschaft ihn dafür hinter den Ohren krault. Eine Beschäftigung, der man aus eigener Motivation heraus nachgeht, macht normalerweise mehr Spaß als eine, an der man teilnimmt, weil es alle anderen auch tun.
Diese Freude an einer Tätigkeit ist eigentlich schon Rechtfertigung genug. Aber weil die Welt unerfreulich viele Menschen enthält, die darauf entgegnen werden: «Spaß, Spaß! Man kann nicht immer nur an den Spaß denken!», sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass auch ein Nutzen für den Rest der Welt sich überdurchschnittlich oft dann ergibt, wenn jemand das tut, was ihn begeistert. Ein solcher Nutzen ist allerdings nicht immer auf Anhieb zu erkennen, insbesondere nicht für Eltern oder Lehrer. Charles Darwins Vater hatte große Bedenken gegen die Pläne seines Sohns, mit dem Forschungsschiff «Beagle» zu einer Weltreise aufzubrechen.Die Reise sei schädlich für Darwins Karriere als Geistlicher und außerdem komplette Zeitverschwendung. Zum Glück ignorierte Darwin diesen Einwand, bereiste die Welt und entdeckte die Grundprinzipien der Evolution. Übrigens dauerte es danach noch fast dreißig Jahre, bis er seine Erkenntnisse in «The Origin of Species» veröffentlichte.
Auch wenn Zeitverschwendung nicht gleich das wissenschaftliche Weltbild revolutioniert, bringt sie doch oft neue Chancen, Kontakte und Erkenntnisse mit sich. Der Kommunikationswirt Michael Brake hat damit gute Erfahrungen gemacht: «Einen nicht unwesentlichen Teil meines Geldes verdiene ich momentan mit Jobs, die über das Weblog Riesenmaschine und die Zentrale Intelligenz Agentur vermittelt werden. Kennengelernt habe ich die ganzen Leute über Sascha Lobo, den ich wiederum nur deshalb besser kenne, weil wir beide mal zusammen ein zweitägiges Punkkneipenkickerturnier gewonnen haben, das Finale war so gegen vier Uhr morgens, an einem Dienstag. Dieses Kickernlernen hat natürlich schon einige Zeit in Anspruch genommen, in der hätten karrierebewusste Menschen sicherlich versucht, eine Fremdsprache zu lernen oder ein Zweitstudium zu machen – aber kann man dabei Bier trinken?»
Professionellen Zeitverschwendern mag es gelingen, Beschäftigungen zu finden, die tatsächlich nicht den allergeringsten Nutzen mit sich bringen. Auch dagegen ist nichts einzuwenden, denn der Tag hat ziemlich viele Stunden, und es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, sie allesamt sinnvoll zu nutzen. Wenn wir nur eine einzige Stunde arbeiten, sind wir schließlich, dem technischen Fortschritt sei Dank, immer noch produktiver als die meisten unserer Vorfahren an einem ganzen Arbeitstag.
Halten wir fest, dass es keine prinzipiell «besseren» und«schlechteren» Beschäftigungen gibt. Jeder darf ohne schlechtes Gewissen das tun, was ihn am meisten interessiert. Übellaunige Ratschläge wie diese kann man getrost ignorieren:
«Tauschen Sie lieber zunächst nur einen Fernsehabend pro Woche gegen einen Leseabend, als dass Sie sich das Fernsehen ganz verbieten. Und am Anfang müssen es auch nicht gleich drei Lesestunden am Stück sein. Wenn Sie täglich nur 10 Seiten lesen, schaffen Sie ein 200 Seiten dickes Buch in 20 Tagen. Und das wiederum macht etwa 18 Bücher im Jahr – falls Sie keine Lesepausen einlegen.»
(Marco von Münchhausen: «So zähmen Sie Ihren inneren Schweinehund»)
«Unterbrechen Sie den Serienzwang. ‹Daily soaps› und andere Serienprogramme können süchtig machen. Falls Sie infiziert sind, sehen Sie sich nur noch jede zweite Sendung an. Dann bekommen Sie die Handlung immer noch mit, sparen Zeit und kommen leichter davon los.»
(Werner Tiki Küstenmacher: «Simplify»)
Wem ist damit gedient, wenn sich ein armer Mensch dazu zwingt, achtzehn Bücher im Jahr zu lesen, anstatt «LOST» zu sehen? Früher waren es die Romanlektüre und der Kirchweihtanz, dann das Radio und die Schundhefte, vor denen man die Bürger eindringlich warnte, heute sind es Fernsehen, Internet, das Handy und der Teufel «Ständige Erreichbarkeit». In zwanzig Jahren wird
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