Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
habe.»
Keine Produktivitätsblogs lesen. Begründung: siehe den Erfahrungsbericht im folgenden Kasten.
«Ich leide unter schwerer Getting-Things-Done-ADHS. Die bekommt man, wenn man sich so intensiv mit der Frage befasst, wie man produktiv wird, dass man sich nicht mal auf eine einzige Aufgabe konzentrieren kann, weil man stattdessen über den Prozess nachdenkt, wie man
alles
erledigt. Das System beschäftigt mich so, dass ich mich nicht auf die eigentlich anstehende Aufgabe konzentrieren kann. Jedes Mal, wenn ich mich hinsetze, um an meinem E-Book zu arbeiten, frage ich mich, ob das jetzt der beste Einsatz meiner Zeit ist. Wenn ich mich hinsetze, um eine Strategie für meine Zeiteinteilung zu entwickeln, frage ich mich, ob ich nicht das ganze Planenlassen und es
einfach mal machen
sollte. Ein unproduktiver Teufelskreis!
Schuld daran ist die ‹Getting Things Done›-Methodik und die unrealistischen Erwartungen, die sie weckt. Dahinter steckt eine zentrale Vorstellung: Wenn man sich erst mal ein ‹perfektes› Organisationssystem eingerichtet hat, vergisst man nichts mehr, man wird doppelt so produktiv, man schafft mehr in kürzerer Zeit, und alles ist stressfrei und eitel Sonnenschein. Okay, vielleicht übertreibe ich, aber so kommt es mir jedenfalls vor. Ich stelle mir vor, dass Leute, die
richtig
produktiv und organisiert sind, in einer Welt leben, die ich nie kennenlernen werde. Sie sind mir zehn Schritte voraus, und ich muss mich schon anstrengen, um auch nur den Kopf über Wasser zu halten. Alles, was ich mit meiner kostbaren Zeit anfange, fühlt sich plötzlich wie Zeitverschwendung an. Ich bekomme Panik, dass ich nicht hundertprozentig bei der Sache bin.
Und das Traurigste daran: Wenn ich das Gefühl bekomme, dass meine Projekte mich überschwemmen, dass ich nicht weiß, wofür ich meine Zeit verwenden soll und dass ich mich nicht darauf konzentrieren kann, auch nur
eine
Sache zu erledigen, was mache ich dann? Ich lese Produktivitäts-Blogs. Kein Witz. Ich kann stundenlang Zen Habits, Achieve-IT, LifeDev, Ian’s Messy Desk und Organize IT lesen. Ich springe in totaler ADH S-Trance im Internet herum, ich konzentriere mich auf nichts, aber ich habe immer das Gefühl, dass ich die nötigen Informationen zusammentrage, die mich irgendwann in die endgültige ‹Produktivitätszone› befördern werden.»
(Chrissy Clayton: «The Executive Assistant’s Toolbox», eatoolbox.com)
Schnarfen und Golken
Die Wahrheit über Zeitverschwendung
«‹Tu ich etwa nichts?›, fragte das rothaarige Mädchen. ‹Ich hüpf hier, was das Zeug hält, und jetzt kommst du und sagst, dass ich nichts tue. Hüpf selbst, dann wirst du sehen, dass man was tut, wenn man hüpft.›»
(Astrid Lindgren: «Pippi Langstrumpf»)
Vor nichts werden aufschiebeanfällige Bevölkerungsgruppen so oft und eindringlich gewarnt wie vor der Zeitverschwendung. Dabei ist echte Zeitverschwendung gar nicht leicht zu finden. In der Online-Enzyklopädie « h 2 g 2» heißt es unter dem Stichwort «Effiziente Zeitverschwendung»: «Wenn eine bestimmte Zeitspanne als verschwendet gelten soll, darf sich keinerlei persönlicher, spiritueller, sozialer oder materieller Nutzen daraus ergeben. Daraus folgt, dass viele Tätigkeiten fälschlich als Zeitverschwendung eingestuft werden. Tatsächlich kann sich fast jede Beschäftigung auf die eine oder andere Art als nützlich erweisen. (Nein, das Nachdenken über nackte Frauen gehört leider nicht dazu.)» Dann listet die Enzyklopädie Ratschläge auf, die verhindern sollen, dass man versehentlich von künstlerischem Schaffen, Philosophie, Soziologie oder dem Internet profitiert. Wer Computerspiele spielt, lernt dabei womöglich eine Fremdsprache, schult sein logisches Denken und seine Reflexe oder trainiert seine Projektleiterfähigkeiten beim Anführen einer «World of Warcraft»-Gilde. Selbst in einem geisteswissenschaftlichen Studium kann man dazulernen, wenn man nicht sehr auf der Hut ist. Tatsächlich scheint sogardas Nachdenken über nackte Frauen gewisse Risiken der Kategorie «materieller Nutzen» zu bergen, wie sonst ließen sich die geschätzten 50 bis 100 Milliarden Euro internationaler Jahresumsatz in der Pornographiebranche erklären? Spätestens seit es möglich ist, als E-Sport -Profi seinen Lebensunterhalt mit hauptberuflichem Computerspielen zu verdienen, ist echte, nachweislich sinnlose Zeitverschwendung so rar geworden, dass man sie vermutlich demnächst unter Naturschutz stellen und von
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