Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
allem Temperatur und Lichtaufkommen nachweislich auf Laune, Energiehaushalt und Leistungsfähigkeit auswirken, dann wird deutlich, dass esviele falsche und sehr falsche Momente für die entspannte Arbeit gibt.
Das eigene Gefühl liefert die besten Hinweise darauf, wann der richtige Zeitpunkt für eine Tätigkeit gekommen ist, ohne dass man dazu ständig Luftdruck, Rektaltemperatur und allgemeines Brunftverhalten im Auge behalten müsste: Der Mensch wird bis auf wenige Ausnahmen ab Werk mit eingebautem Instinkt geliefert. Leider trainiert uns die heutige Gesellschaft mit ihrem anstrengenden Funktionierfetisch ab, ihm zu folgen. Wir sollen lieber ständig mit niedriger Leistungsfähigkeit vor uns hin arbeiten, als eine günstige emotionale, intellektuelle und körperliche Verfassung abzuwarten. Das Gespür dafür, wann der richtige Zeitpunkt naht, kann man trainieren, indem man erst mal längere Zeit nichts tut und so wieder lernt, auf den Instinkt zu hören.
Besser noch als warten ist, den richtigen Moment zu provozieren. Dafür gibt es eine Reihe von Empfehlungen, die man nacheinander auf ihre Wirksamkeit austesten kann. Versäumen Sie nicht, den aktivierenden Energieschub einer Deadline auszuprobieren. Die Deadline mit ihrem sich stetig erhöhenden Druck steigert die Chance erheblich, den richtigen oder wenigstens einen nicht völlig falschen Zeitpunkt zu erwischen. (Näheres siehe Kapitel «Aufschubumkehr».)
Empfindsamere Gemüter, die mit adrenalinpumpendem Zeitdruck nicht umgehen können oder wollen, arbeiten oft mit dem Gegenstück der Deadline, einem selbstgewählten Zeitpunkt, an dem man mit der Arbeit beginnt. Die Erfahrung zeigt, dass solche Termine tatenlos verstreichen, wenn sie zu knapp gewählt sind. Das liegt daran, dass man die Hintergrundarbeit vor der eigentlichen Arbeit, das psychische Aufwärmtraining, nicht selten unterschätzt. Es empfiehlt sich daher, den Beginn auf einen gefühlt noch weit entferntenZeitpunkt zu setzen und bis dahin so oft wie möglich an diesen Termin zu denken.
Eine andere gute Methode ist
trial and error
in der LOB O-Variante . Die Wissenschaft kennt das Verfahren als Forschungsmethode: so lange ausprobieren, bis es klappt. Bei der LOB O-Variante versucht man in kurzen Abständen, sich an die Aufgabe heranzumachen. Wenn man es nicht nach wenigen Minuten schafft, lässt man es wieder bleiben. Sehr wichtig ist dabei, die Frustrationstoleranz hoch zu halten und sich keinesfalls aufzuregen oder Sorgen zu machen, sollte es nicht auf Anhieb gelingen, in die Arbeit hineinzufinden. Der feste Glaube an den richtigen Moment, der sich irgendwann plötzlich vor einem auftut, hilft, nicht die Geduld zu verlieren. Zusätzlich kann man diesem Prozess ein spielerisches Element hinzufügen, indem man die vergeblichen Anläufe zählt, vergleichbar mit den Takes bei Dreharbeiten.
Der richtige Moment kann sich aber auch ganz ohne Nachhilfe einstellen: «Manchmal, habe ich den Eindruck, ist es einfach auch Zufall», berichtet Aleks Scholz. «Das Telefon klingelt und reißt einen vom Basketball im Fernsehen los, und wenn man zurückkommt, ist man eine Sekunde lang unkonzentriert und fängt versehentlich mit der Arbeit an.» Diese enge, aber diffuse Beziehung zwischen Arbeit und Ablenkung zeigt sich auch in anderen Varianten, den richtigen Moment zu finden oder zu provozieren. Das süße Gift Ablenkung möchte richtig dosiert werden, beispielsweise kann man sich vornehmen, für fünf Minuten konzentriert zu arbeiten und danach sofort wieder 55 Minuten das Internet durchzulesen, bevor man von neuem mit konzentrierter Arbeit beginnt. Der Prokrastinationsberater Neil Fiore sieht in der engen Verknüpfung von konzentrierten Arbeitsphasen und darauf folgender, direkter Belohnung eine wirkungsvolle Methode; in «ADDitude», einem Magazin für Erwachsenemit Aufmerksamkeitsstörungen, wird von betroffenen Wissenschaftlern dazu geraten, mit den erfreulichen Phasen anzufangen, um den Kopf in Schwung zu bringen. Wir möchten daraus schließen, dass man zur Sicherheit vor und nach der Bearbeitung einer Aufgabe für ausreichend Ablenkung sorgen sollte, damit man den richtigen Moment keinesfalls verpasst.
Die wichtigste Regel ist die alte Fahrlehrerweisheit «Langsam kommenlassen». Man beschäftigt sich in Gedanken mit einer Aufgabe, ganz entspannt und ungezwungen. Wo werde ich sie erledigen? Wie werde ich daran arbeiten? Trinke ich dazu Tee oder Bier? Setze ich mir für die Arbeit einen Kopfhörer
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