Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
angewiesen, um sich ablenken zu lassen. Was hilft ein aufgeräumter Schreibtisch, wenn im eigenen Kopf zweihundert Gedanken gleichzeitig auf und ab springen und «Ich weiß was, Herr Lehrer!» rufen? Was hilft ein aufgeräumter Schreibtisch, wenn aufdem Schreibtisch ein Rechner mit Internetzugang steht und es im Internet noch viel unordentlicher zugeht als im eigenen Kopf? Ein perfekt aufgeräumter Schreibtisch und eine aufgeräumte Wohnung sind vor allem dann wichtig, wenn man Stress hat, wenn alles schnell gehen muss und man sich keine zusätzliche Verwirrung leisten kann. Wer ein entspannteres Leben führt, stirbt nicht gleich am Herzinfarkt, nur weil Sachen herumliegen. Und wenn man unbedingt einen ordentlichen Arbeitsplatz haben möchte, kann man immer noch den Rechner zuklappen und im nächsten Café weiterarbeiten. Dort kommt regelmäßig ein netter Mensch vorbei und räumt den Tisch ab. Man lächle ihm freundlich zu und sage: «Danke!»
Aber was ist, wenn es nicht nur um ackerkrumenbraunes Waschmaschinen-Abwasser und Papierstapel auf dem Schreibtisch geht? Was, wenn man schon seit Jahren weder die Waschmaschine noch den Schreibtisch aus der Nähe gesehen hat, weil Umzugskartons, Mülltüten, Altpapierstapel und eine wichtige Sammlung alter Röhrenmonitore nicht mehr als einen schmalen Gang von der Haustür zum Klo und zum Sofa frei lassen? Denn ach, das Spektrum des LOB O-Daseins reicht von denjenigen, die nur ab und zu mal eine Mail nicht sofort beantworten, bis hin zu Menschen, die nach ihrem Tod in der Zeitung auftauchen. Und zwar nicht wegen ihrer Verdienste, sondern unter Überschriften wie «Rentner lag tot unter 60 Tonnen Altpapier – Feuerwehr brauchte sechs Stunden, um zur Leiche vorzudringen».
Grundsätzlich kann natürlich jeder so wohnen, wie er will. «Durch eine bloße Unordnung droht der Wohnung kein Schaden», urteilte 1997 das Amtsgericht Wiesbaden. Indizien dafür, dass man ein echtes Problem hat und nicht nur zu selten oben auf den Bilderrahmen Staub wischt, können sein:
Mehr als zwei volle Mülltüten pro Zimmer.
Stapel alter Zeitungen und Zeitschriften aus mehr als zwei Jahren.
Schimmliges Geschirr in der Spüle und/oder anderswo.
Man öffnet die Tür nicht mehr, wenn es klingelt.
Wenn Handwerker kommen, behauptet man, man sei nur zu Besuch.
Die Wohnung riecht merkwürdig. (Um das herauszufinden, muss man sie ab und zu verlassen.)
In der Wohnung leben zahlreiche Tiere, die man nicht selbst angeschafft hat.
Solche Verwahrlosungstendenzen sollte man spätestens bis zum Rentenalter halbwegs in den Griff bekommen, sonst gibt es Ärger und man wird vor der Zeit ins Heim gesteckt. Im Laufe des Lebens entwickeln die meisten Menschen zwar Kompensationstechniken und Tricks, um den Müll in seine Grenzen zu verweisen, aber in schwierigen Lebenssituationen oder mit zunehmendem Alter kann die Lage eskalieren. Deshalb lohnt es sich, rechtzeitig über Lösungen nachzudenken, die auch für LOBOs funktionieren.
Wer immer wieder am Putzen und Aufräumen gescheitert ist, für den gilt das im Kapitel «Jedem Ende wohnt ein Zauber inne» Geschilderte: Weg mit den guten Vorsätzen und her mit nachhaltigen Lösungen. Viele Einzelprobleme lassen sich auf einen Schlag erledigen, wenn man die Menge der Gegenstände reduziert, die regelmäßig aufgeräumt werden wollen. Dabei hilft es, Gegenstände wie Viren oder Meme zu betrachten, die sich in unseren Haushalten einnisten und uns für ihre Zwecke benutzen. Gegenstände sind der Feind, den es an allen Fronten zu bekämpfen gilt. In schweren Fällen helfen dabei Entrümpelungsdienste, die man jederzeit in Anspruch nehmen kann, auch wenn man gar nicht tot oderzwangsgeräumt ist. Entrümpler sind gern bereit, bei Bedarf jedes Jahr wieder vorbeizuschauen und Gegenstände zu entsorgen, das ist schließlich ihr Beruf. Es ist allerdings eine Illusion, dass die Wohnung nach einmaliger Befreiung vom Terror der Gegenstände für immer sauber und aufgeräumt bleiben wird. Wer echte Fortschritte sehen will, muss entweder eine Haushaltshilfe finden (siehe Kapitel «Jetzt helfe ich mir nicht mehr selbst») oder sich neue Gewohnheiten zulegen, die so unanstrengend sind, dass man sie dauerhaft beibehält. Wer Müll gerne dort fallen lässt, wo er gerade sitzt oder steht, kann sein Problem beispielsweise durch Aufstellen von drei bis vier Mülleimern pro Zimmer lindern. Im Folgenden haben wir einige Tipps für Unordentliche auf einen Haufen gekehrt.
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