Dinner for One auf der Titanic
der gut gesicherten Stahltür, niemand. Die Wertsachen hatten die reicheren Passagiere ohnehin im Panzerschrank des Zahlmeisters Hugh McElroys verwahrt.
»Hier liegen die Sachen von Lord Banks, und dort die Londoner Einkäufe Lady Wienermeres. Ja, da steht es ja, das müssten ...«
Patsymoon Sterlingtree wippte von einem Bein auf das andere.
»Sir, also ich müsste ihnen etwas ...«
»Nicht jetzt«, zischte Finch-Meyers und deutete auf die Kisten.
»Gut möglich, dass sich dieser Balgakov hier unten verborgen hält.
«Patsymoon Sterlingtree blickte mit schreckgeweiteten Augen in die Tiefe des Frachtraums. Die Flamme flackerte und verlosch.
»Mr. Finch-Meyers?«
»Pssst!«
Plötzlich war direkt neben ihr ein heiseres Brummen. Sie spürte etwas Weiches an der Hand.»Mr. Finch-Meyers, sie werden diese Situation doch nicht ausnutzen?«
* * *
»Der Kapitän ist mit wichtigen Dingen auf der Brücke beschäftigt«, sagte Miss Sophie und bat James, die gebratenen Täubchen auf Brunnenkresse zu servieren.
»Es gibt Stämme in der Südsee, die essen das Gehirn ihrer getöteten Feinde«, bemerkte Oscar Smooth Gentle.
James fuhr zusammen. Miss Sophie warf ihm einen drohenden Blick zu und lächelte Smooth Gentle an. Der ließ sich nicht bremsen.
»Sie glauben, dass mit dem Verzehr die Kraft und das Wissen ihrer Feinde auf sie übergehen. Außerdem ist es so eine Art Respektbezeugung vor den unterlegenen Kriegern.«
Dr. Breastsucker ließ die Gabel sinken.
»Interessant, das deutet auf ihre nicht ausgelebte natale Phase während der Kind-heit. Das dürfte den Chef interessieren, wenn ...«
»Ja?«, fragte Miss Sophie.
»Nun, seitdem er an Bord ist, verschlingt er einen Kriminalroman nach dem anderen. Geradezu eine Manie.«
Breastsuckers Stimme klang besorgt.
»Der Kannibalismus ist eine Variante der Nächstenliebe«, setzte Mr. Smooth Gentle nach. »Eine gut gewürzte, versteht sich. James, was halten Sie von diesen Sitten?«
»Eine Meinung steht mir nicht zu, Sir.«
Ungehalten legte Miss Sophie ihr Besteck auf den Tisch.
»Wie jeder normale Mensch hält er sicherlich auch mein Gerede über Kannibalismus für geschmacklos, nicht wahr, James?«
»Geschmacklos? Oh, Miss Sophie, ich kann das beim besten Willen nicht beurteilen. Ich hatte bisher keine Gelegenheit zu einer Kostprobe.«
* * *
»Mr. Finch-Meyers, ich hoffe, ich habe Ihre Gefühle nicht verletzt, aber dieses animalische Geräusch aus Ihrem Munde.«
»Ich verbitte mir das. Aus meinem Mund ist nichts Animalisches gedrungen. Und auch nicht ...«
»Ja?«
»Zur Sache! Was wir da gehört haben, muss ein mechanisches Geräusch der Schraube gewesen sein. Womöglich könnte ein Tropfen Öl Abhilfe schaffen. Ansonsten keine Spur von diesem Anarchisten.«
»Nein, Sir. Sollten wir vielleicht sein Gepäck untersuchen?«
»Nun, der schläft sicher in seinem Koffer, Miss Sterlingtree.«
»Patsy.«
»Miss Sterlingtree, wir haben hier eine bedeutende Aufgabezu erledigen. Es geht um den Ruf des Schiffes. Es geht um Gefahren, die uns allen drohen, wenn dieser Mann ohne Beobachtung auf der Titanic sein Unwesen treibt.«
»O ja, Mr. Finch-Meyers. Ich bin mir dessen bewusst.«
Dieser Mann konnte ja so großartig sein. Allein diese energische Stimme. Und dieser etwas unbeholfene Annäherungsversuch! Sicher, Jessup Finch-Meyers hatte darin keine Erfahrung. Wiesollte er auch, als Pater. Nein, sie musste ihn ein wenig zappeln lassen und zur rechten Zeit ermutigende Zeichen geben. Solch stattliche Burschen liebten es, mit dem Köder zu spielen, bevor sie... Nun, das kam später.
Sie würde diesen Andrej Balgakov aus seinem Versteck scheuchen. Augen würde ihr Chef machen,und wer weiß, vielleicht eröffneten sie gemeinsam eine Detektei in New York. Oder doch lieber in London? Mit einemgemeinsamen Schreibtisch und einer hübschen Ledercouch.
* * *
James wuchtete die Speckseite durch die Gänge. Er stieß gegen einen Feuerlöscher und fluchte. Überall versperrten diese roten Ungetüme den Weg. Lieber hätte er den Tiger mit ein paar dieser ach so leckeren Medaillons gefüttert. Das wäre die richtige Strafe für diesen Anarchisten gewesen! Im Bauch seines eigenen Tigers zu enden. Aber die Medaillons waren alle restlos vertilgt worden.
Ein unausstehlicher Mensch, dieser Andrej Balgakov. Das Schiff umlenken! Dabei war er noch nicht einmal verantwortlich für diese unglückselige Wende in Balgakovs Schicksal. Er hatte nur ein paar
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