Dinner for One auf der Titanic
anhält, muss ich an meinem 40.Geburtstag noch mit meinem Butler anstoßen«, warf Miss Sophie ein.
James schlug die Augen zu Boden. Mr. Finch-Meyers zog einen Notizblock aus der Jacke und schrieb ein Wort hinein.
»Darüber hinaus betrauern wir den Tod von Mr. Smooth Gentle, der sich nach eingehender Beschäftigung mit seiner Vergangenheit als ein längst verstorben geglaubter irischer Dichter herausstellt.«
»Verdammte Sauerei«, sagte Kapitän Smith und lockerte seinen Kragen.»
Ja, er war in der Tat eine farbenfrohe Bereicherung unserer Runde«, sinnierte Miss Sophie. »Ein Mann der wohlgesetzten Worte. Umso bedauerlicher sein Verschwinden.«
Finch-Meyer trommelte mit dem Bleistift auf seinen Notizblock.
»Schließlich finden wir Dr. Philatus Breastsucker in einer für ihn unvorteilhaften Lage, an einem Kronleuchter hängend, vor. Zusätzlich erstochen mit der Stange eines Fischbein-Korsetts.«
»Unappetitlich«, kommentierte Miss Sophie.
James nahm die Oliven und Nussschälchen vom Tisch. In wenigen Minuten würde der Gong ertönen, und die Oberkellner würden aus der Küche wieseln. Vorn spielte sich das Orchester mit einem Stück von Tschaikowski warm. Zumindest wurde hier nicht, wie in der dritten Klasse, ins Horn gestoßen. Obwohl sich ein kräftiges Halali am Tisch von Miss Sophie gut machen würde, dachte James. In Erinnerung an all jene Kämpen, die auf der Strecke geblieben waren.
»James, lassen Sie ruhig die Schälchen noch stehen. Wir wissen ja, dass es hier an Bord mit der Pünktlichkeit nicht allzu genau genommen wird.«
Auf Finch-Meyers’ Stirn schwoll eine Ader.
»Wie können Sie jetzt vom Essen reden?«
Da hatte der Mann ausnahmsweise einmal recht. Auf diesem Schiff ging es anscheinend um nichts anderes. Kaum waren die Frühstücksteller abgeräumt, bereitete sich alles auf das Mittagessen vor. Und kaum war der Pudding serviert, gingen die Herren in den Rauchsalon, um sich nur wenige Minuten später mit einer Rindsbouillon zu bewaffnen, die den Gemahlinnen die lange Zeit bis zum Dinner überbrücken half. Essen, Essen, Essen. Nur unterbrochen von dieser dauernden Umzieherei.
Da hatten es die Passagiere der dritten Klasse bedeutend einfacher. Wenngleich diese Kutteln sicher nur dann genießbar waren, wenn man nicht daran dachte, worum es sich dort auf dem Teller handelte.
»Es ist nicht zu übersehen, dass die Ausführung des Anschlags auf Dr. Breastsucker eine Anspielung auf seinen Beruf enthält.«
»Wie darf ich das verstehen, Mr. Meyer?«, fragte Miss Sophie. »Wurde er mit einer Couch erschlagen?«
»Leider kein guter Anlass, um sich lustig zu machen, Madame. Bemerkenswert, die Tat erfolgte auch, und ich betone, auch, mit einem Utensil, das zur unsichtbaren Ausstattung jeder Dame gehört.«
»Vielleicht eine sexuelle Anspielung?«, errötete Miss Sterlingtree.
»Muss das hier in aller Öffentlichkeit erörtert werden?«, fragte Kapitän Smith.
Was für ein Gewäsch! James konnte es nicht mehr mit anhören. Um alles und jedes wurde ein großes Wuhei veranstaltet. Es war doch nur einer von Miss Sophies Büstenhaltern, den er auf den Kronleuchter geworfen hatte. Er selbst hatte Miss Sophie einen nicht unterschriebenen Zettel zukommen lassen, auf dem der Verbleib ihres rosafarbenen BH vermerkt war. Ein Scherz. Und weil er es sich noch auf ein Stündchen mit einer Flasche Whisky unten im Kesselraum gemütlich gemacht hatte, musste sie den armen Breastsucker aus dem Kabinenbett getrommelt haben. Wie der sich allerdings so blöd anstellen konnte, sich mit der Unterwäsche zu strangu-lieren, das blieb wohl für immer das Geheimnis dieses Doktors.
Allerdings, etwas Überraschendes gab es da doch noch. Irgendjemand musste die Leiter weggezogen haben. Hatte Miss Sophie ...?
»Kann jemand hier am Tisch etwas über die Herkunft dieses Kleidungsstückes sagen?«
Mr. Finch-Meyers hielt den BH in die Höhe. Miss Sophie sah James beschwörend an.
»Wollen Sie uns mit der Unterwäsche wildfremder Menschen den letzten Anflug von Appetit rauben?«
»Das ist nicht Ihr Wäschestück, Miss Sophie?«
»Ich pflege bei O’Tates in der Berkshire Street zu kaufen.«
Der Kapitän tätschelte ihre Hand.
James konnte sich an kein Kleidungsstück in Miss Sophies Fundus erinnern, welches das Wäschezeichen dieses Nobel-Damenaustatters trug. Natürlich gehörte dieses minzfarbene Miniaturzeltlager Miss Sophie. Und schließlich hatte sie nicht ohne Grund Dr. Breastsucker auf den Kronleuchter
Weitere Kostenlose Bücher