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Dinner for One auf der Titanic

Dinner for One auf der Titanic

Titel: Dinner for One auf der Titanic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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gescheucht.
    »Wir suchen noch die Leiter, mit der das Opfer dort hinaufgelangte. Und den Urheber der ebenfalls tödlichen Verletzung mit einer Fischbein-Korsettstange.«
    Dafür war er, James, nun wirklich nicht verantwortlich. Hatte Miss Sophie die Situation ausgenutzt und dem Doktor eine zu nachdrücklich unterstrichene Frage gestellt? Schließlich hatte sie ihm gegenüber einen Verdacht gegen den Doktor angedeutet. Und hatte sie womöglich recht mit ihrer Vermutung, der Doktor habe das Bild aus dem Tigerkäfig geholt, nachdem er das Tier heimlich in Trance versetzt hatte? Auszuschließen war es nicht. Nein, auf diesem Schiff war rein gar nichts auszuschließen.
    »Und diesen Brief fanden wir in der Tasche von Dr. Breastsucker.«
    Der Borddetektiv hielt ein Blatt in die Höhe. James faltete weiter seine Servietten.
    »Wenn ich um Aufmerksamkeit bitte dürfte! Also, hier steht: >Nun höre auf dein Herz, du meiner Seele Pochen. Mein ist dein, dein ist mein, über alle Abgründe hinweg. Ich werde dir diese Lisa zu Füßen legen. Denke an unsere Zukunft. Mann und Frau. Es gibt nichts Stärkeres.‹«
    »Nicht eben ein Gipfelsturm britischer Poesie«, bemerkte Miss Sophie.
    James’ Hände zitterten. Wo, verdammt noch mal, hatte dieser Breastsucker seinen Brief hergehabt? Stunden hatte er gebraucht, um die rechten Wörter zu Papier zu bringen. Persönlich hatte er ihn Miss Sophie auf den Nachttisch gelegt und ... Miss Sophie setzte ihren »Höhere-Tochter-Blick« auf.
    »Nun, dieser Brief ist nicht in Dr. Breastsuckers Handschrift abgefasst.
    «Miss Sophie wurde kreidebleich. James begriff sofort, was dies bedeutete. Sie hatte geglaubt, der Brief stamme von Breastsucker. Messerscharf und unter Einsatz all ihrer Gier hatte sie geschlossen, dass sich dieses verdammte Bild bereits in seinem Besitz befunden hatte. Wahrscheinlich hatte sie die günstige Gelegenheit des in ihrem Büstenhalter verfangenen Breastsucker schamlos ausgenutzt. Sie hatte den in seiner Verstrickung schutzlosen Breastsucker hochnotpeinlich mit einer Korsettstange nach dem Verbleib des Bildes befragt.
    Der Mann hatte das nicht überlebt. Nachdem er dort am Kronleuchter verschieden war, hatte sie ihm den anonymen Brief zurück in die Jacke gestopft, um ja nicht in Verdacht zu geraten.
    Konnte man denn nicht einmal einen Liebesbrief schreiben, ohne dass gleich alles missverstanden wurde?
    James wuchtete einen Stapel Teller auf den Servierwagen.
    »Ein Mörderschiff«, sagte Miss Sophie.
    Falsche Schlange. Manchmal wusste James wirklich nicht so recht, ob er nicht in Miss Sophies Nähe in ständiger Lebensgefahr schwebte. Kapitän Smith tätschelte weiter ihre Hand.
    »Sophie, wir werden der guten Titanic Dampf machen, damit wir rasch festen Boden unter die Füße bekommen. Alles wird sich aufklären. Beruhige dich.«
    Er flüsterte Miss Sophie etwas ins Ohr. Sie schlug affektiert die Augenlider auf. Finch-Meyers’ Blick durchstreifte den Saal und blieb schließlich bei James hängen.
    »Nun, dieser Balgakov hatte einen Hass gegen die Psychoanalyse und die Poesie gleichermaßen«, raunte Finch-Meyers. »Ich frage mich nur, wie er mit einem Mann der Kirche umgeht ... warum er solche Angst vor einem Mann der Kirche, einem Pater, hat?«
    Wenn dieses Gerede überhaupt einen Sinn machte, dann wollte er diesen Balgakov mit seinen salbungsvollen Worten aus seinem Versteck locken. Ein schöner Plan. Dabei hatte er ihn doch längst verdaut. James konnte sich einen Anflug von Heiterkeit nicht verkneifen.
    Balgakov jedenfalls war nicht weiter gefährlich. Es sei denn, Finch-Meyers litt unter Verstopfung. Obwohl, wenn dieser Fürst Andrej auftauchte ... James schob den Servierwagen in Richtung Küche, als Finch-Meyers noch einmal um allgemeine Aufmerksamkeit bat.
    »Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass ich mir eine Erhellung dieser vertrackten Sachverhalte durch eine telegrafisch übermittelte Anfrage erhoffe, die ich heute Morgen über den Äther geschickt habe. Möglicherweise ergeben sich völlig neue Aspekte. Insbesondere denke ich an eine Kiste, die Mr. Breastsucker auf einem seiner Notizzettel vermerkt hatte.«
    Er blickte James tief in die Augen und wandte den Kopf langsam zu Miss Sophie.
    »Vielleicht gibt es weitere Notizen. Wie bei Akademikern üblich. Möglich, dass es gar nicht dieser Andrej Balgakov war.«
    Das Geschirr auf James’ Wagen schepperte. Ein Steward öffnete ihm die Tür zur Küche. Jetzt war er auf neutralem Gebiet.
    Das Heer

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