Dinner for one, Murder for two
Öffentlichkeit zu strahlen. Von Kestrings Ziel war eine Abschiedstournee Sir Michaels unter seiner Regie.«
»Das alles hat er Ihnen freiwillig erzählt?«, fragte Pippa zweifelnd.
»Ich habe meine Tricks.«
Rebecca Davis lehnte sich gespannt vor. »Meinst du, er hat den Journalisten umgebracht? Vielleicht hat ihn das derart gestresst, dass es ihn dann selbst erwischt hat.«
»Als ich Kwiatkowski erwähnte, ist er überhaupt nicht darauf eingegangen. In seinem Gesicht blitzte kurz Befriedigung auf, also ist er froh über dessen Tod. Mehr kann ich an dieser Stelle nicht sagen. Für weitergehende Analysen habe ich nicht lange genug mit ihm gesprochen.«
»Was kannst du mir über das Ensemble sagen?«, fragte Rebecca.
»Hier stößt meine Kunst tatsächlich an ihre Grenzen. Ich kann Menschen lesen, aber Schauspieler …? Um es deutlich zu sagen: Alle Menschen sind Schauspieler, aber hier haben wir Schauspieler, die Menschen spielen.«
»Nichts gegen deine philosophischen Betrachtungen, Pete«, warf Rebecca ungeduldig ein, »aber ich habe einen Mord aufzuklären. Spuck es aus: Was kannst du mir sagen?«
»Also gut. Meiner Einschätzung nach war kein Einziger dabei, der nichts zu verbergen hatte – und zwar ganz existentielle Dinge. Die Spannungen in der Runde waren fast greifbar. Wie diese Truppe ohne einfühlsame Führung künstlerische Höchstleitungen vollbringen will, wenn sie derart mit ihren eigenen Fallstricken kämpft, ist mir ein Rätsel.«
»Jede zweite deutsche Inszenierung ist nach diesem Prinzip zusammengehunzt«, sagte Pippa und seufzte. »Da erleben Sie das in Reinkultur.«
Pete Wesley sah sie erstaunt an. »Dafür geben die Zuschauer freiwillig Geld aus? Inszenierungen aus der Mitte der persönlichen Empfindungen der Schauspieler statt des Schauspiels? Vielleicht finde ich in Deutschland ein neues Betätigungsfeld als Theaterpsychologe.« Wesley zwinkerte Pippa zu. »Ich könnte die gebeutelten Schauspieler betreuen. Danke für den Tipp.«
»Und nach der Vorstellung die gebeutelten Zuschauer«, sagte Rebecca, »aber für den Moment reicht mir, was du in unserer Taubenhausrunde erfahren hast.«
Pete nickte und konzentrierte sich einen Moment, bevor er fortfuhr: »Dana Danvers gab sich selbstkritisch, ist aber nicht wirklich in die Tiefe gegangen. Die Entschuldigungen habe ich ihr nicht abgenommen, denn am wichtigsten waren ihr die Reaktionen der anderen auf ihre Worte. Duncan Blakely, Anita Unterweger und Johannes Berkel werden bei aller Offenheit von starken Selbstzweifeln geplagt, da gab es jede Menge unterdrückter Gefühle. Wenn bei ihnen die richtigen Knöpfe gedrückt werden, spucken sie den Höchstgewinn aus – oder tun Dinge, die sie sich niemals vorstellen könnten.«
»Auch Mord?«, fragte Rebecca.
»Kein kaltblütig geplanter, aber im Affekt?« Pete Wesley zuckte mit den Schultern. »Aber tot ist tot. Zu Hendrik Rossevelt …«, er sah Pippa und Rebecca mit hochgezogenen Brauen an, »seine Überheblichkeit und Arroganz sind reine Fassade. Dieser Mann hat vor irgendetwas Angst, geradezu Panik.«
»Vor Carlos Kwiatkowski?«, fragte Rebecca schnell. »Oder vor dem, was er hätte schreiben können? Zumal: Falls Kwiatkowski auf einen dunklen Fleck auf Rossevelts Weste gestoßen ist, kann niemand sagen, ob es nicht doch noch vom PaperRazzi veröffentlicht wird – diese Gefahr ist mit seinem Tod noch nicht gebannt.«
Pete Wesley hob bedauernd die Hände. »Um das mit Sicherheit sagen zu können, hätte Kwiatkowski auch am Tisch sitzen müssen. So kann ich nur spekulieren. Vielleicht ja, vielleicht nein. Und Alain Bettencourt … er hat beim Spiel nur gesagt, was ihm bei anderen unangenehm ist und wozu ihn das bringt – kein Wort über eigene Fehler. Damit hat er perfekt von sich abgelenkt. Dinge zu vertuschen, ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen.«
»Seine Homosexualität«, sagte Pippa leise.
»Zum Beispiel. Er wird von Frauen umschwärmt und fühlt sich zu Männern hingezogen, will seine Neigungen aber in der Öffentlichkeit nicht preisgeben, weil er die unbedingte Bewunderung beider Seiten nicht nur für seine Karriere, sondern vor allem für seine Selbstbestätigung und Sicherheit als Schauspieler braucht. Das ist ein gefährlicher Drahtseilakt, den man nicht ewig durchhalten kann, ohne sich selbst schwere psychische Schäden zuzufügen.«
»Wer von ihnen ist ein Mörder?«, fragte Rebecca Davis.
Pete Wesley tätschelte ihre Hand. »Du schmeichelst mir, aber du
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