Dinner for one, Murder for two
überschätzt mich. Fast alle in dieser Runde haben gelogen, aber der Mensch lügt durchschnittlich zweihundert Mal am Tag, das ist ergo kein Kriterium. Ich bin zudem der Meinung, dass absolut jeder Mensch in eine emotionale Ausnahmesituation geraten kann, in der er zum Mörder wird. Wenn jemand glaubt, dass die eigene Existenz auf dem Spiel steht, schaltet sich die Vernunft ab, und die gesellschaftliche Konvention, dass man nicht töten darf, hat keine Bedeutung mehr.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah Rebecca ernst an. »Verhöre diese saubere Bande und lass mich die Videos davon sehen – dann kann ich dir vielleicht mehr sagen. Aber vergiss nicht: Wir haben es hier mit Profis zu tun, die gelernt haben, Dinge zu spielen, die sie nicht wirklich fühlen. Das wird nicht einfach.«
Im Auto herrschte Schweigen, als Pippa und Rebecca ihre Fahrt Richtung Cheltenham fortsetzten.
Schließlich fragte Rebecca Davis: »Du bist ungewöhnlich still. Nimmt dich der Tod von Kwiatkowski so mit? Er hat bei dir gewohnt, du warst ihm ziemlich nah. Oder machst du dir Vorwürfe, weil von Kestring nach einem Streit mit dir gestorben ist?«
»Nein, um ehrlich zu sein … es mag vielleicht pietätlos klingen, aber ich mache mir Sorgen um Peter Paw. Er ist immer noch verschwunden. Ich weiß schon nicht mehr, wo ich noch suchen soll.« Pippa sah Rebecca an. »Wie kann das sein, dass in meiner unmittelbaren Nähe Menschen sterben, und ich kann nur daran denken, dass ein kleines Tier nicht nach Hause kommt?«
»Weil jedes Leben wichtig ist. Und weil gerade der Tod für das Leben sensibilisiert.«
»Ist es überhaupt zulässig, Mensch und Tier auf eine Stufe zu stellen?«
Rebecca Davis lachte leise. »Du darfst mir eines glauben, Pippa: Meine beiden Katzen sind wichtiger für mein Seelenheil als so mancher Mensch. Ohne die Sorge um diese kleinen Leben und die Ablenkung, die ich durch sie erfahre, wäre ich an meinem Beruf schon lange zugrunde gegangen – und zu einer bitteren Zynikerin geworden.«
»Aber ich müsste doch jetzt trösten, beruhigen … aufklären. Stattdessen ist mein einziger Gedanke, Peter Paw zu finden.«
»Und das ist völlig gesund. Den Toten kannst du nicht mehr helfen, aber vielleicht gilt es, ein kleines Leben zu retten. Ich mache da keine Unterschiede. Jung oder alt, Mensch oder Tier. Erst Leben retten, dann aufklären, das ist meine Devise.« Sie sah sich nach allen Seiten um. Da kein anderes Auto zu sehen war, wendete sie auf offener Straße, als wollte sie die Belastbarkeit der Reifen beim Schleudern testen, und fuhr wieder Richtung Hideaway. »Wir werden noch heute deinen Liebling suchen. Und ich halte dabei die Augen offen. Mörder, die sich sicher fühlen, machen genauso sicher Fehler. Vorzugsweise vor meiner Nase.«
»Suchen wir denn mehrere Mörder?«
»Zwei … drei … ganz gleich. In meiner Theorie ist Rowdys Tod der Schlüssel zur Lösung. Ich brauche nur noch das passende Schloss.«
Es dämmerte bereits, als sie Hideaway erreichten. Mit Schwung nahm Rebecca Davis die Einfahrt des Cosy Cottage und kam knapp vor der Haustür zum Stehen. Der Mann, der dort mit großem Gepäck wartete, presste sich schreckensbleich mit dem Rücken an die Tür, als hätten die grellen Scheinwerfer ihn an die Wand genagelt.
»Wer ist das denn? Kennst du den?«, fragte Rebecca Davis.
»Allerdings.« Pippa seufzte und verdrehte die Augen. »Hier hast du deinen Mörder: mein Bruder Freddy. Er hat Carlos und von Kestring umgebracht, damit Barbara-Ellen endlich für ihn frei ist.«
as ist ja wirklich ein schöner Empfang«, keuchte Freddy, als Pippa aus dem Wagen stieg. Er war blass um die Nase.
»Warum schleichst du auch im Dunklen um Omas Haus?«, gab Pippa zurück.
»Schleichen? Wer schleicht denn hier? Ich wollte gerade klingeln, als dein hitziger Kavalier …« Er unterbrach sich ver blüfft, als sich der hitzige Kavalier als attraktive ältere Frau entpuppte.
Rebecca Davis lehnte sich lässig ans Auto und sagte: »Willst du uns nicht vorstellen, Pippa?«
»Detective Inspector Rebecca Davis – mein Bruder Freddy, ein Kollege von dir … der eigentlich gar nicht hier sein sollte. Was machst du hier, Freddy?«
»Ich bin in Omas Auftrag hier. Sie möchte, dass wir einen Suchtrupp zusammenstellen und Peter Paw suchen. Da ich noch Urlaub hatte, bin ich in den nächsten Flieger gesprungen, um dich zu unterstützen.«
»Gib es zu – Paws Verschwinden kommt dir gelegen. Endlich hattest du
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