Dinner for one, Murder for two
Hund ihrer Großmutter, der den Blisswalk entlangtrabte. Jetzt ging er zu einer großen Tanne hinüber und beschnüffelte den Baumstamm. Pippa musste grinsen, als sie Peter Paw aus dem Baum klettern sah und die beiden Tiere wie selbstverständlich weiter den Wanderweg hinaufspazierten. Es musste also kurz nach zwölf Uhr sein und Rowdy auf seinem Mittagsspaziergang.
»Vielen Dank für deinen ausführlichen Beitrag, Liebling.« Barbara-Ellens Stimme unterbrach von Kestrings Vortrag gekonnt und holte Pippa aus ihren Beobachtungen zurück in die Bibliothek. »Ich bin Barbara-Ellen von Kestring, achtundvierzig Jahre alt und dreißig davon verliebt in Shakespeare«, sie legte die Hand auf den Arm ihres Gatten. »Ich bin glücklich, dass ich an diesem Projekt teilnehmen darf, und freue mich über jede Rolle, die für mich übrigbleibt«, Barbara-Ellen machte eine Handbewegung, die die Runde umfasste, »denn zuerst sind Sie an der Reihe. Und ehe ich es vergesse: Mich darf man ebenso beim Vornamen nennen wie Michael.«
Alle Achtung, dachte Pippa, sagt einfach ihr wahres Alter und lässt den anderen bei der Rollenwahl den Vortritt. Freddy und Berkel haben absolut recht: Sie ist wirklich anders.
»Der junge Mann links von mir«, fuhr Barbara-Ellen fort und lächelte Berkel aufmunternd an, »ist unser Assistent Johannes Berkel, ohne den mein Mann und ich hilflos wie kleine Kinder wären.«
Vor Freude über ihre Worte errötete Berkel tief. Er warf seiner Chefin einen anbetenden Blick zu und verbeugte sich kurz in die Runde.
»Mein Name ist Duncan Blakely«, sagte der Nächste in der Reihe, ein schwarzhaariger Mann mit tiefblauen Augen. Er hatte einen starken schottischen Akzent und einen jungenhaften Gesichtsausdruck. »Ich bin zweiunddreißig Jahre alt und kein professioneller Schauspieler, sondern habe bisher als Sänger einer Folkband auf der Bühne gestanden. Meine Familie möchte gern, dass ich später unsere Whiskybrennerei übernehme, aber ich habe mich beworben, weil ich hoffe, mich auf diese Weise entscheiden zu können, ob Theaterspielen für mich mehr als ein Hobby sein könnte – und wurde prompt für das englischste aller Festivals ausgewählt. Und das als Schotte. Jetzt glaube ich an Wunder – und an Shakespeare!« Da alle lachten, machte Duncan eine kurze Pause. »Eine Rolle habe ich mir bisher nicht überlegt … Osrik, der geckenhafte Höfling, oder einer der Totengräber wären schön. Lust habe ich zu allem, was sich mir bietet.«
Er sah begeistert in die Runde, ließ seine weißen Zähne blitzen und nickte seiner Nachbarin zur Linken zu, einer schüchtern wirkenden jungen Frau mit rosigen Wangen und flachsblondem kurzem Haar.
»Anita Unterweger«, wisperte sie und räusperte sich krampfhaft. »Ich komme aus Österreich und habe dort an einer Freilichtbühne schon einmal die Ophelia gespielt. Ich wollte immer an ein Theater in England … ich verehre das englische Theater, es ist so ursprünglich und … ich muss mich entschuldigen, mein Englisch ist nicht sehr gut.« Ihre Stimme verebbte.
»Damit sind wir schon zu zweit«, scherzte Duncan in breitem Glasgower Akzent und hatte die Lacher wieder auf seiner Seite.
»Trotzdem wäre es wohl besser, wenn ich nur eine kleinere Rolle bekomme«, sagte Anita Unterweger und sah vorsichtig zu von Kestring hinüber.
Der hatte sich etwas vorgebeugt und musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. Es war mehr als deutlich, dass er ihr in dem letzten Punkt zustimmte.
»Hendrik Rossevelt.« Die helle, schneidende Stimme des Mannes neben der Österreicherin durchbrach die kurze Stille so unvermittelt, dass alle zusammenzuckten. Der Sprecher, ein Mann von knapp dreißig mit krausen hellbraunen Haaren und gleichfarbigem, akkurat gestutztem Kinnbart, richtete sich auf seinem Stuhl auf. »Ich komme aus den Niederlanden. Für mich bedeutet die Teilnahme an dieser Inszenierung den Aufbruch in eine bessere Zukunft, denn durch den Zuschlag zu diesem Projekt ist die renommierteste Schauspielschule des Landes auf mich aufmerksam geworden und hat mir ein Stipendium angeboten. Die Ausbildung beginnt gleich nach meiner Rückkehr.« Er sah sich um, als erwarte er dafür stehende Ovationen, und runzelte die Stirn, weil diese ausblieben. »Ich bin sicher, die Rolle des Hamlet im Sinne unseres geschätzten Regisseurs verkörpern zu können.«
Bevor der Nächste in der Reihe fortfahren konnte, flog die Tür zur Bibliothek auf, und Carlos Kwiatkowski betrat den Raum. Ohne zu
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