Dinner for one, Murder for two
großer Schritt für die Menschheit«, verkündete von Kestring hochtrabend. Er setzte ein triumphierendes Grinsen auf, als er Carlos Kwiatkowski sah, der die Auffahrt hinaufkam, schwer an Kameraausrüstung und Laptop schleppend.
Von Kestring ließ den Journalisten keine Sekunde aus den Augen und zog seine überraschte Frau in eine innige Umarmung, als wollte er sagen: Schau her, du Paparazzo, bei mir ist alles eitel Sonnenschein, und ich habe überhaupt keine Angst vor der Zukunft.
Ohne der auffälligen Demonstration ehelicher Harmonie auch nur einen Blick zu schenken, strebte Carlos an den von Kestrings vorbei. Pippa schloss sich ihm an – froh, der Situation entronnen zu sein.
Chris Cross stand am Empfangstresen, vor sich sein Textbuch.
»… Es war genau an jenem Tag, da jung’ Hamlet ward’ geboren, der, der verrückt ist, und den man dann nach England schickte «, deklamierte er, als Pippa und Carlos die Halle betraten.
»Nun sag; warum wurd’ nach England er geschickt?« , parierte Carlos mit der korrekten Entgegnung Hamlets.
»Na, weil er rappelköpfig ist. Soll den Verstand dort wiederfinden« , übernahm Chris wieder als Totengräber, »und wenn’s ihm nicht gelingt, spielt’s da schon keine Rolle mehr.« Auffordernd sah er Carlos an.
»Wie das?«
»Es fällt dort gar nicht auf. Dort sind die Leute grad’ so irr wie er.«
Carlos lehnte sich grinsend auf die Theke. »Wie wurd’ er denn verrückt?«
Chris seufzte und schlug das Textbuch zu. »Vermutlich paukte der arme Junge für ein Theaterstück.«
Die beiden Männer lachten und klatschten sich ab.
»Carlos, ich wusste ja gar nicht, dass du … ich meine …«, stotterte Pippa, die sich nur langsam von ihrer Verwunderung angesichts von Carlos’ Textsicherheit erholte.
»Ich habe das Stück im Theater schon so häufig gesehen … da könnte jeder irgendwann mitsprechen. Alle Rollen. Hamlet ist nicht das einzige Drama, das ich auswendig kann.«
»Auf zur Probe, meine Lieben, es ist schon nach zehn«, rief Barbara-Ellen, die hereingekommen war und sich fröstelnd die Arme rieb. »Sie auch, Carlos?«
Kwiatkowski schüttelte den Kopf. »Ich flitze gleich wieder los, ich will nur meine Kameraausrüstung hier deponieren. Meine Londoner Redaktion hat mir in Cheltenham einen Termin bei dem Computerguru gemacht, den Nicola mir empfohlen hat. Wenn einer meine Daten retten kann, dann er, sagt sie.« Er hob entschuldigend die Hände. »Ich weiß, ich wollte heute mit den Einzelinterviews für die Schauspielerporträts im PaperRazzi beginnen, aber das läuft uns nicht weg. Wir haben noch genug Zeit.«
»Es ist jetzt viel wichtiger, dass Ihr Computer wieder funktioniert und Sie Ihre Recherchen wiederbekommen, Carlos. Das verstehen wir doch«, sagte Barbara-Ellen. »Ich werde Sie bei den anderen entschuldigen.«
»Glaubst du, dass Lysander deinem Mann heute das Zepter aus der Hand nimmt?«, fragte Pippa, während sie und Barbara-Ellen zur Bibliothek gingen.
»Ich habe keine Ahnung.« Die Schauspielerin blieb stehen und rieb sich trotz der angenehmen Wärme im Hotel wieder über die Arme, als stünde sie noch immer in der Kälte. »Dies ist nicht die erste kritische Situation für Hasso, aber er hat sie alle gemeistert. So unberechenbar er ist, so überzeugend kann er sein. Aber das war in Deutschland.« Sie lächelte wehmütig und seufzte. »Dort scheint es geradezu eine Empfehlung, ja, ein Gütesiegel für Regisseure zu sein, schlechtes Benehmen an den Tag zu legen. Aber hier sind wir in England, und das bereitet mir echte Sorgen. Er müsste Smith-Bates gegenüber schon ein paar sehr gute Argumente ins Feld führen …«
»Wünschst du es ihm?«, fragte Pippa vorsichtig.
Barbara-Ellen straffte die Schultern. »Ich wünsche mir Shakespeare . Ob mit Hasso oder ohne ihn.«
Ohne auf eine Reaktion Pippas zu warten, öffnete sie die Tür zur Bibliothek und trat ein.
Sir Michael stand mit Hendrik in einer Ecke des Raumes und redete auf ihn ein. Als Pippa gerade die Tür hinter sich schließen wollte, packte Sir Michael den Jüngeren am Arm und zog ihn an Pippa vorbei in den Flur, wo sie beinahe mit Chris zusammenstießen.
An einem der Flügelfenster übten Phoebe und Anita die englische Aussprache und die dazu passende Mimik und Gestik. Die junge Österreicherin wiederholte die Vorgaben der bekannten Shakespeare-Darstellerin mit vor Anstrengung roten Wangen und bemühte sich nach Kräften, Phoebes Vorstellungen gerecht zu werden. Der alten
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