Dinner for one, Murder for two
Leben gefragt. Alles, was sie von ihm wusste, war, dass er wunderschöne Fotos schießen und interessante Berichte schreiben konnte.
Pippa seufzte, zog Kwiatkowskis großen Koffer unter dem Bett hervor und stellte ihn auf die Tagesdecke. Dann öffnete sie die Tür des antiken Kleiderschranks und starrte auf akkurat gefaltete Pullover und eine Reihe von Oberhemden, die ordentlich auf Bügeln hingen. Sie kam sich vor, als würde sie Leichenfledderei begehen, und spürte das irrationale Bedürfnis, ihn um Erlaubnis zu bitten, ehe sie seine persönlichen Gegenstände berührte.
Mit einem Stapel Pullover in den Händen setzte sie sich auf die Bettkante. Plötzlich hatte Carlos’ Tod etwas Endgültiges. Pippa versuchte ihr Unbehagen, dass sie durch das Packen seines Koffers zu dieser Endgültigkeit beitrug, zu ignorieren.
Peter Paw kam ins Zimmer getapst und strich maunzend um ihre Beine. Sie legte den Stapel ab und bückte sich, um den Kater zu streicheln.
Er sprang auf das Bett, beschnüffelte den Koffer und nieste, was Pippa ein Lächeln entlockte. »Du hast recht, ich mochte sein Rasierwasser auch nicht besonders. Aber er war ein netter Mann, nicht wahr?«
Peter Paw kringelte sich wie zur Bestätigung schnurrend auf der geblümten Tagesdecke zusammen.
Methodisch packte sie weiter, beobachtet von Paw, der jede ihrer Bewegungen verfolgte. Der Schrank leerte sich, und auch die Wäschekommode war bald ausgeräumt. Im Sekretär fand Pippa eine dicke gelbe Mappe.
Neugierig schlug sie die Mappe auf. Sie enthielt mehrere durchsichtige Hüllen, die jeweils einem Mitglied des Ensembles zugeordnet waren. In jeder Hülle steckten großformatige Abzüge der Porträtfotos, die Carlos während der letzten Tage gemacht hatte.
Duncan lächelte sie an, und Pippa sah sofort, welch brillanter Fotograf Carlos gewesen war: Er hatte den Charme und die Natürlichkeit des attraktiven Schotten perfekt eingefangen. Kein Wunder, dass Anita bis über beide Ohren in Duncan verliebt war – was ein inniger Blick auf einem Schnappschuss der beiden deutlich belegte.
Erst als Pippa die Bilder aus der Hülle zog, registrierte sie das Dossier, das hinter die Fotos geheftet war. Duncan Blakely, las sie, hoch talentiert … sowohl als Musiker als auch als Schauspieler … völlig uneitel … ist sich seines Talents nicht bewusst … kann mit entsprechendem Sprechtraining ganz nach oben kommen … ungebunden … stammt aus traditionsreicher Whiskydynastie … Typ Naturbursche mit Herz …
Treffsicher und auf den Punkt, dachte Pippa, nachdem sie den Text und das darauffolgende Interview mit Duncan gelesen hatte. Sie steckte Fotos und Dossier zurück in die Hülle und griff nach der nächsten.
Anita Unterwegers mädchenhafte Schüchternheit, ihre leuchtenden Augen, ihre zarte und anmutige Statur … Pippa nickte bewundernd. Carlos hatte die Fähigkeit besessen, in seinen Fotos die Seele der von ihm porträtierten Menschen einzufangen. Anita Unterweger … Rohdiamant aus der Provinz … braucht und erlangt gerade mehr Selbstbewusstsein … wird als Ophelia Furore machen … hat (wie Duncan Blakely) keine Ahnung, was sie alles kann … Jungfrau (?) … Dornröschen, das darauf wartet, wachgeküsst zu werden … kommt aus kinderreicher Familie in Österreich … bescheiden …
Jungfrau?, dachte Pippa amüsiert, ich wette, Carlos dachte dabei nicht an das Sternzeichen …
Sie fand einige Bilder von Dana Danvers, die die Schönheit der rumänischen Schauspielerin beeindruckend zur Geltung brachten. Pippa konnte sich keinen Blickwinkel vorstellen, aus dem Dana nicht berückend aussah.
Dana Danvers – echter Name: Daciana Dirculescu, echtes Alter: 33 Jahre, las Pippa verblüfft, alleinerziehende Mutter … zwei noch nicht schulpflichtige Töchter … versorgt finanziell nicht nur sich und die Kinder, sondern zahlt zusätzlich die Pflege ihrer dementen Mutter …
Deshalb die vielen Postkarten und Briefe, dachte Pippa. Diese Informationen hat er bestimmt nicht von Dana selbst. Sie überflog das Interview und stellte fest, dass Dana ein ganz anderes Image von sich entworfen hatte: Mitte zwanzig, ungebundener Single … kein Wort von einer Familie, die in Rumänien auf sie wartete.
Kein Wunder, dass sich die junge Schauspielerin einen Lordprotektor gesucht hatte. Ab und an beschenkt zu werden oder auf andere Art und Weise Geld zu sparen, war bestimmt eine Erleichterung.
Pippa wusste aus eigener Erfahrung, dass es manchmal gut
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