Dinner for one, Murder for two
bestürzt. »Ich bat dich inständig, meine Einstellung zu respektieren, und du sagtest doch …«
»Ich weiß, was ich gesagt habe«, unterbrach ihn Lysander, »aber dein berufliches Leben reicht nun einmal nicht für eine authentische Biographie. Wie ich das sehe, hast du etwas Wichtiges zu verbergen, sonst wärst du bei diesem Thema nicht so halsstarrig.«
»Unsinn, ich möchte nur …« Sir Michael suchte nach Worten. »Mein guter Junge, versteh mich doch bitte …«
Abrupt blieb Lysander stehen. »Ich bin nicht dein guter Junge! Wenn ich mir vorstelle, dass ich sogar einen Streit mit meiner Mutter riskiert habe, weil ich so eng mit dir zusammenarbeite …«
Sir Michael wollte seine Hand besänftigend auf Lysanders Schulter legen, aber dieser wich zurück.
»Lysander, was ist denn bloß passiert?«, fragte Sir Michael hilflos. »Unsere Zusammenarbeit lief doch zu unserer vollen Zufriedenheit.«
»Zu deiner – zu meiner nicht.«
Die Männer standen sich gegenüber und sahen sich schweigend an. Eisregen hatte eingesetzt, aber keiner von beiden bemerkte es. Ihr stoßweiser Atem bildete dichten weißen Nebel vor ihren Gesichtern, während der Niederschlag ihre Mäntel durchtränkte.
»Ich habe keine Lust, von irgendwelchen dahergelaufenen Journalisten in einer Pressekonferenz mit den dunklen Flecken aus deiner Vergangenheit konfrontiert zu werden und wie ein Idiot dazustehen«, sagte Lysander schließlich.
»Ach, daher weht der Wind.« Sir Michael schüttelte den Kopf. »Ich verstehe: Kwiatkowski hat mit dir gesprochen. Stimmt, er hat damals über den Tod meiner Frau berichtet und …«
Lysander ließ ihn nicht ausreden. »Was Kwiatkowski über dich geschrieben hat, habe ich gelesen. Und nach der Lektüre wurde mir klar, warum du ausgerechnet ihn als Berichterstatter wolltest: Du hast ihm in die Feder diktiert, was er schreiben sollte. Kein kritisches Wort weit und breit.«
Er hielt inne, als ginge ihm gerade erst ein Licht auf.
»Oder geht es um mehr? Mit was für einem anderen Geheimnis hat er sich seinen Auftrag beim Festival verdient, Michael?«
»Sei vorsichtig, was du sagst, Lysander.« Sir Michaels Stimme verlor ihr väterliches Timbre. »Sonst könnte ich mich dafür interessieren, womit dieser Regisseur dich in der Hand hat.«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, was du meinst«, schnappte Lysander.
»Du weißt so gut wie ich, dass von Kestring durch die Vorfälle mit der Waffe unhaltbar geworden ist. Aber du hast ihn trotzdem behalten.«
»Das war nicht meine Entscheidung. Die EU-Kommission …«
Mit einer brüsken Handbewegung schnitt Sir Michael ihm das Wort ab. »Unsinn. Dass du mich anlügst, macht es nur noch schlimmer.«
»Ich lüge nicht«, begehrte Lysander auf, »es ist eine Frechheit, so etwas zu behaupten. Wie kommst du dazu?«
»Durch einen Anruf bei der EU, Lysander. Ich wollte dir bei der zuständigen Stelle Rückendeckung geben – und was habe ich da wohl erfahren?«
Lysander Smith-Bates antwortete nicht. Trotz der Kälte stand ihm Schweiß auf der Stirn.
»Du brauchst nichts zu sagen, Lysander. Du weißt selbst am besten, dass du nie wegen von Kestring in Brüssel angerufen hast. Man war wirklich erstaunt, durch mich von der Geschichte zu hören. Die entscheidende Kommission hatte nie die Gelegenheit, dir zu sagen, dass die Gelder keineswegs gestrichen werden, wenn du den Regisseur – noch dazu aus nachvollziehbarem Grund – in die Wüste schickst.«
Sir Michael drehte sich um und strebte zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, während Lysander noch einen Moment stehen blieb und dann mit schweren Schritten den Weg zum Haus seiner Mutter fortsetzte.
Vorsichtig zog Hasso von Kestring sich vom geöffneten Fenster im ersten Stock des Harmony House Hotels zurück, verriegelte es leise und schloss die Vorhänge.
Das Leben auf dem Land bot wahrlich viele Vorteile – vor allem diese überirdische Stille, die es ihm ermöglichte, Unterhaltungen zu belauschen, die zwanzig Meter Luftlinie entfernt stattfanden. Dabei hatte natürlich auch nicht geschadet, dass diese beiden Engländer, die sich sonst so steif und etepetete gaben, die Contenance verloren und sich unbeherrscht angeblafft hatten.
Von Kestring war höchst zufrieden. Alles lief ganz nach Plan. Hier ein wenig gebohrt, dort ein wenig Druck ausgeübt … Schon glitt alles wie auf Schienen. Er hatte sogar Narrenfreiheit, und zwar mit ausdrücklicher Billigung von oben. Sollten die beiden
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