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Dinner for one, Murder for two

Dinner for one, Murder for two

Titel: Dinner for one, Murder for two Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auerbach , Keller,
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sofort gefangen von der Darbietung auf der kleinen Bühne. Sir Michael spielte die Rolle des überbesorgt liebenden, etwas trotteligen Vaters, der seinen Sohn in die Ferne ziehen lässt, mit sichtlichem Genuss. Sie hatte den großen Mimen schon auf der Theaterbühne erlebt – aber so nah und pur wie in diesem Moment überwältigte sie das Können Sir Michaels, der die Grenze zwischen dem gutem Willen seiner Figur und ihrer anklingenden Schrulligkeit fein zu ziehen wusste. Sie hielt gebannt den Atem an, während er als Polonius die Hände seines Sohnes Laertes nahm:
    »… Vor allem dies: sei immer selbst dir treu, und daraus folgt – wie die Nacht dem Tag – du kannst nicht falsch sein gegen and’re Leut’. Leb wohl … mein Segen reife nun in dir .«
    Hasso von Kestring ist doch ein Fuchs, dachte Pippa. Diese Stelle war mit Bedacht gewählt, und ihre Botschaft konnte nun von allen zu seinen Gunsten interpretiert werden.
    Zu ihrem Erstaunen behauptete Hendrik sich neben Sir Michael und ließ sich von dessen unbestreitbarer Präsenz nicht einschüchtern. Hendriks Augen sprühten temperamentvoll, seine Körpersprache war ausdrucksstark und zeugte von der Vorfreude des Laertes, den verschrobenen Ratschlägen seines Vaters entrinnen und sich in Paris ins Vergnügen stürzen zu können.
    Auch von Kestring wirkte zufrieden und ließ die beiden ohne weitere Unterbrechungen oder Anweisungen spielen.
    Phoebe setzte sich neben Pippa. »Sieh an, der kleine Schleimer kann ja wirklich was – falls es nicht an der guten Vorlage seines Partners liegt. Man kann über Hornsby sagen, was man will, aber Theaterspielen kann der Mann – Regie führen nicht.«
    »Versucht er das denn?«, fragte Pippa erstaunt.
    »Damit hat er angefangen, damals. Allerdings hat er sich dabei nicht gerade mit Ruhm bekleckert.« Phoebe verzog den Mund. »Sollte mich wundern, wenn er davon heute noch etwas wissen will …«
    »Er ist ein wunderbarer Schauspieler.«
    »Ohne seine Gattin wäre er das vermutlich nie geworden. Sie hat ihn aufgebaut und protegiert.« Sie erhob sich und fügte im Weggehen hinzu: »Das ist ein echter Klassiker, nicht wahr? Von Kestring wäre ohne seine Frau auch weniger als nichts.«
    Alain zuckte zusammen, als von Kestring auf ihn deutete. »Jetzt möchte ich Hamlet sehen. Den großen Monolog, bitte, dritter Akt, erste Szene.«
    Mit bleichem Gesicht erklomm der junge Franzose die Bühne. Er sah sich nervös um und atmete einige Mal tief durch, bevor er begann.
    »Sein oder nicht sein, das frage ich mich …«
    »Stop!«, rief von Kestring sofort. »Das ist nicht der korrekte Text. Noch einmal von vorn.«
    Alain trat der Schweiß auf die Stirn. »Sein oder sein, das …«
    »Stop!«, unterbrach der Regisseur wieder. »Bettencourt, ich erwarte Textsicherheit, verstanden? Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage … Noch einmal!«
    Alain nickt nervös. »Sein oder tot sein …«
    Von Kestring brach in höhnisches Gelächter aus, während die Zuhörer den Atem anhielten. »Verdammt, Bettencourt, das wäre in Ihrem Fall für uns alle eine Erlösung, das gebe ich zu. Reißen Sie sich endlich zusammen, wir sind hier nicht bei einer Schüleraufführung. Im Fernsehen dürfen Sie jeden Satz fünfzig Mal wiederholen, bis er sitzt, ich weiß. Sie wollten doch unbedingt auf die große Bühne! Dann gewöhnen Sie sich an die Realitäten: keine Wiederholungen, kein Schneideraum, tut mir leid.«
    »Ich würde mich sicherer fühlen, wenn ich mit der Requisite arbeiten könnte.« Bettencourts Stimme zitterte.
    »Welche Requisite?«, fragte von Kestring lauernd.
    »Der Totenschädel, den Hamlet …«
    »Wie bitte?« Der Regisseur sprang erbost auf. »Ich frage mich, welche Soap-Opera-Version von Hamlet Sie kennen, Sie …« Er sah sich wild in der Bibliothek um und rief: »In welcher Szene kommt der Schädel vor? Na?«
    Er zeigte auf Chris, der das Requisit in den Händen hielt.
    »Fünfter Akt, erste Szene, auf dem Friedhof«, antwortete Chris wie aus der Pistole geschossen, hielt den Schädel hoch und deklamierte: » Und eben dieser Schädel hier, mein Herr, war Yoricks Schädel, des Königs Hofnarrn. Und dann nimmt Hamlet den Totenschädel und sagt …«
    Von Kestring hob die Hand, um Chris zu unterbrechen, und verbeugte sich vor ihm. »Ich danke Ihnen sehr, Mr Cross, Sie haben gerade meinen Tag gerettet. Vielleicht sollten besser Sie den Hamlet spielen?« Er wandte sich wieder Alain zu, der tief errötet war. »Wenn Ihnen

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