Dinner fuer drei Roman
waren so sanft wie die des zärtlichsten Geliebten.
In den kurzen anschließenden Sekunden, als ihr Körper die Erde noch nicht wieder ganz erreicht hatte und er auf ihr lag, strich sie mit ihrem Daumen über seine Wangenknochen, wobei er versehentlich unter die Augenklappe glitt. Ohne darüber nachzudenken, fühlte sie nach der Narbe, die er stets vor ihr verbarg.
Und traf stattdessen auf einen Kranz aus langen, dichten Wimpern.
Sie atmete hörbar ein, als ihr Daumen über die Umrisse eines normalen Auges strich.
Dort ist statt eines Auges nur noch eine hässliche rote Narbe , hatte er gesagt.
Er richtete sich auf und setzte sich auf den Rand des schmalen Bettes. »Ich wünschte mir, ich würde noch rauchen.«
Sie zog die Decke über ihren nackten Körper und starrte
auf seinen muskulösen Rücken. »Mit deinem Auge ist überhaupt nichts.«
Er hob abrupt den Kopf, begann hastig seine Kleider vom Boden aufzusammeln und verschwand im Badezimmer.
Sie schob sich die Decke unter die Achseln und zog die Beine an, als die Wogen des Unglücks mit einem Mal über ihr zusammenschlugen und sie zu zittern begann.
In Jeans und Pullover trat er wieder in den Flur. Die schwarze Augenklappe saß wieder an ihrem gewohnten Platz. Im Türrahmen blieb er einen Moment stehen - eine düstere, geheimnisvolle Gestalt.
»Alles in Ordnung?«
Ihre Zähne klapperten. »Weshalb hast du mich wegen des Auges angelogen?«
»Ich wollte nicht, dass mich irgendjemand erkennt.«
»Ich wusste bereits vorher, wer du warst.« Ihre Stimme brach. »Lüg mich nicht an, Eric. Sag mir bitte, warum.«
Er stützte sich mit dem Arm im Türrahmen ab, und seine Stimme war so leise, dass sie sie kaum verstand.
»Ich habe es getan, weil ich in meiner eigenen Haut nicht mehr leben konnte.«
Mit diesen Worten wandte er sich ab und ließ sie allein in dem kleinen silberfarbenen Wohnwagen zurück.
Im nördlichen Teil Georgias lenkte Eric seinen Wagen von der Interstate auf eine Raststätte, wo es öffentliche Toiletten, Trinkwasser und Snacks aus Automaten gab. Es war drei Uhr früh, und nur mithilfe von mehreren Tassen Kaffee und dem Zucker eines alten Schokoriegels, den er im Handschuhfach gefunden hatte, war es ihm gelungen, wach zu bleiben. Er hatte sich noch nicht entschieden, ob er den Kombi in Atlanta stehen lassen und nach Kalifornien fliegen oder mit dem Wagen weiterfahren würde.
Es war Weihnachten, deshalb war die Raststätte wie ausgestorben, wenn auch nicht so menschenleer, als dass er ohne
seine Augenklappe ausgestiegen wäre. Also zog er sie sich wieder über den Kopf und ging an dem Glaskasten mit der Straßenkarte von Georgia vorbei.
Im Inneren des niedrigen Backsteingebäudes saß ein ärmlich gekleidetes Mädchen mit einem schlafenden Baby in den Armen auf einer der Bänke. Es sah hungrig, erschöpft und verzweifelt aus, und trotz seiner Betäubtheit rief ihr Anblick Mitleid in ihm wach. Die Kleine war noch zu jung, um ganz allein auf der Welt zu sein. Er suchte in seinen Taschen nach Kleingeld und hoffte, es würde reichen, damit sie sich etwas zu essen kaufen konnte. In diesem Augenblick hob sie den Kopf, und er sah, wie sich die Angst mit all den anderen Gefühlen mischte, die sie quälten.
Sie zog ihr Baby noch enger an ihre schmale Brust und schob sich auf der Bank zurück, als könnte sie sich damit vor der Bedrohung durch diesen Fremden schützen. Er hörte ihren keuchenden Atem, und die Angst, die er ihr machte, ließ Übelkeit in ihm aufsteigen. Hastig wandte er sich den Automaten zu. Sie war selbst beinahe noch ein Kind, eines dieser unschuldigen Wesen, deren Anblick seinen Beschützerinstinkt wachrief. Am liebsten hätte er ihr ein Häuschen gekauft, sie aufs College geschickt und ihr einen Teddybären geschenkt. Dafür gesorgt, dass ihr Baby eine Zukunft, warme Kleider, regelmäßige Mahlzeiten und fürsorgliche Lehrer und Lehrerinnen bekam.
Wieder war er von den Ungerechtigkeiten des Lebens überwältigt, wieder lasteten sie bleischwer auf seinen Schultern. Er hatte Geld und Macht und sollte in der Lage sein, all das Unrecht ungeschehen zu machen. Doch das konnte er nicht. Er konnte ja noch nicht einmal die Menschen schützen, die er am meisten liebte.
Er steckte sein gesamtes Kleingeld in die diversen Automaten. Statt einer Ausbildung und eines kleinen Häuschens kamen zahllose Pakete mit Kartoffelchips und Schokoriegel, Plätzchen in Elfenform und Trockenkuchen voller Chemikalien heraus - der ganze Reichtum
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