Dinner fuer drei Roman
gedehnter Stimme.
Die Frau mit dem strengen Gesicht atmete hörbar ein. »Nicht, bevor sie nicht draußen im Flur steht.«
»Ich habe gesagt, du sollst sie loslassen.«
Der weißhaarige Mann namens Ross mischte sich ein. »Ich halte das für unklug.«
»Das ist mir egal, Richard, lass sie endlich los.«
Wie durch ein Wunder war Honey plötzlich frei.
»Komm her, Kleine«, sagte die raue, müde Stimme.
Sie wandte sich ihm zu.
Er hatte einen von tiefen Furchen gerahmten Mund, und seine Stirn war durch das häufige Tragen eines Huts in eine obere bleiche und eine untere sonnengegerbte Hälfte geteilt. Er hatte eine schlanke, etwas gedrungene Figur, und sie brauchte ihn nicht erst gehen zu sehen, um zu wissen, dass er O-Beine hatte. Ihr erster Gedanke war, dass er mit einem Stetson auf dem Kopf und einer Marlboro im Mund auf ein Werbeplakat gehörte, obwohl sein Gesicht dafür vielleicht inzwischen etwas zu verwittert war. Sein kurzes, drahtiges Haar wies staubig blonde, braune und rötliche Strähnen auf. Er sah aus wie Anfang vierzig, doch seine braunen Augen schienen mindestens eine Million Jahre alt zu sein.
»Wie heißt du?«
»Honey Jane Moon.«
»Aha.«
Sie wartete darauf, dass er sich über ihren Namen lustig machen würde, doch er stand völlig reglos da und ließ sich von ihr mustern. Seine Kleidung gefiel ihr: ein zerknittertes Jeanshemd, eine verwaschene Hose, Stiefel, alles abgetragen und bequem.
»Möchtest du vielleicht zu mir rüberkommen und dich mit
mir unterhalten?«, fragte er nach einer Weile. »Das gibt dir Gelegenheit, wieder zu Atem zu kommen.«
Von dem vielen Brüllen fühlte sie sich tatsächlich flau, ihr Magen hatte sich schmerzhaft zusammengekrampft, und ihre Zehen schmerzten noch immer von dem Tritt gegen Richards Schienbein. »Ich nehme an, das ist okay.«
Ohne auf das aufgebrachte Geflüster der anderen zu achten, führte er sie zu zwei Stühlen, die vor einer Art hellblauer Papierwand standen.
»Wie wäre es, wenn du dich setzen würdest, Honey?«, fragte er sie freundlich. »Wenn es dir nichts ausmacht, werde ich die Kameramänner bitten, uns beide zu filmen, während wir uns unterhalten.«
Der Mann namens Ross trat einen Schritt vor. »Ich sehe dazu keine Veranlassung.«
Honeys Retter bedachte ihn mit einem eisigen Blick. »Wir machen die ganze Sache seit Wochen so, wie du es willst, Ross«, erklärte er kühl. »Und jetzt bin ich am Ende meiner Geduld.«
Honey musterte die Kameras argwöhnisch. »Warum wollen Sie die Dinger laufen lassen? Versuchen Sie vielleicht, Beweise gegen mich zu sammeln, um mich danach anzeigen zu können?«
Er quittierte die Frage mit einem leisen Lachen. »Die Anzeige würde ich mir wohl eher selber einfangen, Kleine.«
»Ach ja? Warum?«
»Wie wäre es, wenn ich erst mal die Fragen stellen würde?« Er nickte in Richtung des Stuhls, wobei er die Entscheidung, ob sie sich tatsächlich setzen wollte, ihr selbst überließ. Sie blickte tief in seine Augen, konnte darin jedoch nichts Furchteinflößendes entdecken, also nahm sie schließlich Platz.
Eine vernünftige Entscheidung, da ihre Beine sie nicht mehr viel länger getragen hätten.
»Macht es dir was aus, mir dein Alter zu verraten?«
Damit hatte er sie sofort eiskalt erwischt. Sie sah ihm ins
Gesicht und versuchte herauszufinden, weshalb er diese Frage stellte, doch seine Miene war so unergründlich wie der Silver Lake in einer Neumondnacht. »Sechzehn«, verriet sie schließlich zu ihrer eigenen Überraschung.
»Du siehst aus wie zwölf oder dreizehn.«
»Ich sehe auch aus wie ein Junge, obwohl ich keiner bin.«
»Ich finde nicht, dass du wie ein Junge aussiehst.«
»Ach nein?«
»Nein. Ich halte dich sogar für ein ziemlich hübsches kleines Ding.«
Ehe sie ihn fragen konnte, ob er vorhabe, hier seine Lieblingsmacho-Nummer abzuziehen, stellte er die nächste Frage.
»Woher kommst du?«
»Aus dem Bezirk Paxawatchie in South Carolina. Ich leite dort den Silver-Lake-Freizeitpark, die Heimat von Black Thunder. Vielleicht haben Sie ja schon mal davon gehört. Die berühmteste Achterbahn des Südens. Manche sagen sogar, des ganzen Landes.«
»Ich fürchte, das habe ich bisher nicht gewusst.«
»Vielleicht sollte ich eher sagen, dass ich den Park geleitet habe . Der Sheriff hat ihn nämlich letzte Woche geschlossen.«
»Tut mir Leid zu hören.«
Sein Mitgefühl wirkte so ehrlich, dass sie anfing, ihm von ihren Problemen zu erzählen. Er schien nichts von ihr zu fordern und
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